Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser
ich wollte dich nicht beleidigen -, aber um ehrlich zu sein, hatte ich das von Anfang an erwartet.« Das schien ihn ein wenig zu besänftigen, und sie redete weiter. »Es ist vielleicht nur ein kleiner Trost, aber ich bleibe nie lange an einem Ort; ich werde bald wieder weg sein, und dann steht es dir frei zu vergessen, dass es diesen Abend jemals gegeben hat.« In ihren Worten lag eine gewisse Wahrheit. Mehr sogar als in allem anderen, was sie seit dem Beginn ihrer Begegnung gesagt hatte. Aber Melyor wusste auch, dass das Letzte, was sie gesagt hatte, die größte Lüge von allen war: Sie war sicher, dass Dob und seine Kumpane diesen Abend niemals vergessen würden.
Immer noch rot vor Zorn setzte der Gesetzesbrecher zu einer Antwort an. Aber in diesem Augenblick ging die Tür der Bar auf, und eine andere Gruppe von Männern kam herein.
Als Melyor zur Tür schaute, wusste sie sofort, dass ihr Warten nun ein Ende hatte. Sie erkannte es an der plötzlichen Aufmerksamkeit von Dob und den anderen Schurken, sie wusste es, weil jedes Gespräch in der Bar verstummt war, sobald sich die Tür öffnete, und sie sah es an der seltsamen Gruppe von Uestras, Bandenmitgliedern und Leibwächtern, die die einzelne Gestalt begleiteten, als sie die Bar betrat; und selbst wenn sie nicht hin und wieder Bilder von Savil gesehen hätte, hätte sie ihn an der verblüffenden Ähnlichkeit mit Calbyr, dem ehemaligen Nal-Lord des Zweiten Bezirks und Savils Vetter, erkannt. Wie bei Calbyr waren das Haar und der Bart dieses Mannes von der Farbe von Sand, und trotz seiner weiten Hose und der langen dunklen Jacke, die er über dem elfenbeinfarbenen Hemd trug, konnte Melyor deutlich erkennen, dass er die drahtige, muskulöse Figur eines geübten Kämpfers hatte. Seine Augen waren dunkel und undurchdringlich, und er strahlte die Arroganz eines Mannes aus, der an Macht gewöhnt ist. All das hatte er mit Calbyr gemeinsam, dessen Nachfolger als Nal-Lord er war. Und wenn die Berichte, die Melyors Spione ihr geliefert hatten, der Wahrheit entsprachen, dann teilte Savil auch den Ehrgeiz und die Gnadenlosigkeit seines Vetters, von seinen Fähigkeiten als Mörder gar nicht zu reden. Melyor fiel auf, dass Savil ebenso wie Dob einen Werfer und eine Klinge trug.
Savil blieb direkt hinter der Tür stehen und sah sich in der Bar um, wie man sich vielleicht das Angebot eines Essensspenders ansehen würde. Kaum etwas, was er sah, schien ihn zu interessieren, bis sein Blick schließlich auf Melyor und Dob zu ruhen kam und ein gieriges Lächeln seine scharfen Züge erhellte. Der Nal-Lord kam entschlossen auf sie zu, rief Dobs Namen und streckte die Hand zum Gruß aus.
»Schön, dich zu sehen, Nal-Lord«, verkündete Dob, warf Melyor einen Seitenblick zu, und irgendwie gelang es ihm nicht, einen letzten Rest von Schmerz und Demütigung aus seiner Stimme zu verbannen.
»Hallo, Dob«, entgegnete Savil, als er vor ihnen stehen blieb. Er stand Melyor in der Größe näher als Dob, aber irgendwie wirkte er größer als der Gesetzesbrecher, oder vielleicht sah Dob auch kleiner aus, wenn der Nal-Lord in der Nähe war - es war schwer zu sagen. Melyor wusste jedoch, welche Gefahr Dob auch immer dargestellt hatte - er war harmlos verglichen mit diesem schlanken, auf den ersten Blick eher unauffälligen Mann.
»Deine Anwesenheit hier ist uns eine Ehre, Nal-Lord. Was können wir für dich tun?« Sie hörte, wie angespannt Dob war. Sie konnte sich gut vorstellen, wie der Verlust an Ehre, den er ihr zu verdanken hatte, sich auf seine Position in Savils Bezirk auswirken würde.
Savil lächelte großzügig. Das wirkte seltsam unglaubwürdig auf seinem Gesicht. »Immer mit der Ruhe, Dob. Alles in Ordnung.« Dieselben Worte, die Dob zuvor ausgesprochen hatte - Melyor lächelte innerlich. Savil sah nun sie an, und sein Grinsen wurde intensiver. »Aber vielleicht möchtest du mich deiner Freundin vorstellen.«
»Sie ist nicht meine Freundin«, sagte der Gesetzesbrecher ein wenig zu heftig. Savil warf ihm einen scharfen Blick zu, und Melyor konnte sehen, dass Dob seinen Ton sofort bereute.
»Aha«, meinte Savil. Wieder schaute er Melyor an. »Wie heißt du?«
»Kellyn, Nal-Lord. Ich habe auf dich gewartet.«
»Sie kommt angeblich aus dem Vierundzwanzigsten Bezirk, Nal-Lord«, fügte Dob rasch hinzu. »Aber ich traue ihr nicht. Ich glaube, sie ist eine Attentäterin; sie hat einen Dolch in ihrem rechten Stiefel.«
Savil zog die Brauen hoch. »Stimmt das, Kellyn?«
Melyor
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