Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser
Zauberer zu finden.« »Heißt das, dass ich das Zentrum verlassen darf?« Cedrych drehte sich um. Er hatte ein Lächeln auf den Lippen, aber es drang nicht bis zu seinen Augen vor. »Das ist ein seltsamer Zeitpunkt, sich um diese Dinge Sorgen zu machen.« Melyor errötete, und Cedrych wandte sich wieder dem Fenster zu. »Ja, du darfst das Zentrum verlassen«, antwortete er schließlich. »Setze Jibb und seine Leute ein, und alles andere, was notwendig sein sollte. Aber bring mir diesen Zauberer.«
Melyor blieb wartend stehen.
»Das ist alles, Melyor«, sagte der Oberlord schließlich und drehte sich ein wenig, um sie anzusehen. »Du kannst gehen.«
Sie machte einen Schritt auf die Tür zu.
»Melyor«, hielt er sie noch einmal auf. Sie spürte, dass er sich wieder umgedreht hatte und sie beobachtete, aber sie schaute nicht zurück. »Du kannst es dir nicht leisten zu versagen.«
Sie nickte, dann ging sie rasch zur Tür und auf den Flur hinaus. Sie ließ sich von dem Gardisten ihre Waffen und Stiefel zurückgeben und eilte zum Heber. Erst als sie in der Kabine war und die Doppeltür sich geschlossen hatte, gestattete sie sich, tief Luft zu holen und einen Moment die Augen zu schließen und sich zu sammeln. Irgendwie war es ihr gelungen, das Büro des Oberlords zu verlassen, ohne sich irgendwelchen Fragen über ihre Vorfahren stellen zu müssen. Sie war nicht ganz sicher, wie sie das geschafft hatte. Es musste wohl Glück sein; ein seltenes Versehen von Cedrych, ein Zufall, der sich so nicht wiederholen würde. Sie hatte nur Aufschub bis zum nächsten Gespräch. Sie öffnete die Augen wieder, erkannte, dass der Heber sich nicht bewegte, und drückte den Knopf fürs Erdgeschoss. Sie musste den Zauberer finden, nicht nur um Cedrychs willen, sondern auch für sich selbst. Plötzlich begriff sie, dass sie hier im Nal kaum mehr eine Zukunft hatte - es war nur eine Frage der Zeit, bis Cedrych ihr Geheimnis erfuhr. Und wenn er es erfuhr, würde er sie entweder töten oder ihre Visionen als etwas betrachten, was er ausnutzen konnte, etwas, das die Vorteile der Zauberer, die er in Tobyn-Ser besiegen wollte, ausgleichen würde. In diesem Fall würde sie immer noch, sobald es wärmer wurde, nach Tobyn-Ser geschickt werden. Aber in beiden Fällen, das wusste sie jetzt, war der Zauberer der Schüssel zu ihrer Zukunft, ganz gleich, ob diese Zukunft in dem fremden Land lag oder, wie ihre wiederkehrende Vision andeutete, an der Seite des Fremden hier in Lon-Ser, im gemeinsamen Kampf gegen einen Feind, den sie noch nicht identifizieren konnte.
Als sie das Erdgeschoss erreicht hatte, ging sie zu der schwer bemannten Wachstation, die den Haupteingang blockierte. Wie erwartet hatte Cedrych seine Gardisten bereits informiert, dass sie das Gebäude verlassen durfte. »Dein Transporter wartet, Nal-Lord«, sagte einer der Männer, als sie näher kam.
Einen Moment war sie verwirrt genug, dass sie sich nur den kleinen Transporter vorstellen konnte, den sie ein paar Blocks entfernt abgestellt hatte, und sie fragte sich, wieso dieser Mann davon wusste. Dann begriff sie, dass er von einem größeren Transporter mit Chauffeur sprach. Ich bin wieder Nal-Lord, erinnerte sie sich und fand den Gedanken gleichzeitig tröstlich und beunruhigend, nachdem sie den ganzen Winter wegen ihrer Ausbildung in relativer Abgeschiedenheit zugebracht hatte. »Ja«, sagte sie nach kurzem Zögern. »Danke.«
Der Mann nickte und machte eine Geste zu einem seiner Kollegen. Die Tore und die verstärkte Glastür der Wachstation öffneten sich und erlaubten Melyor, in den kalten, grauen Nebel hinauszutreten, der im Nal herrschte. Ein großer schwarzer Transporter wartete vor dem Zentrum auf sie. Sie stieg hinten ein und warf einen Blick auf den Fahrer. Er war einer von Cedrychs Männern, einer, den sie nicht wiedererkannte, obwohl das nichts bedeuten musste. Sie sahen irgendwie alle gleich aus: groß, kräftig, glatt rasiert, auf eine kalte, unattraktive Art gut aussehend und makellos in Schwarz gekleidet.
»Wohin darf ich dich bringen, Nal-Lord?«, fragte er.
»Zu Jibbs Wohnung«, sagte sie, ohne nachzudenken. »Ich muss Jibb sehen.«
»Selbstverständlich, Nal-Lord«, sagte er unsicher, »aber wo ...?«
Melyor schüttelte den Kopf. Ich darf nicht zulassen, dass ich mich in Gedanken verheddere, sagte sie sich. Es steht zu viel auf dem Spiel. »Vierter Bezirk«, erklärte sie. »Ich gebe weitere Anweisungen, wenn wir dort sind.«
»Sehr wohl, Nal-Lord«,
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