Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser
erheitert. Selbst ohne die schicke schwarze Gardistenuniform sah er so aus, als könnte er es mit Cedrychs Mann problemlos aufnehmen. Und obwohl Jibb zweifellos weniger streng ausgebildet war als der Scherge des Oberlords, hätte sie bei einem Kampf zwischen beiden - sei es mit Werfern, Messern oder bloßen Händen - ihr Geld auf Jibb gesetzt.
Sie erinnerte sich immer noch daran, wie sie ihn zum ersten Mal hatte kämpfen sehen. Das war vor beinahe vier Jahren gewesen, weniger als ein halbes Jahr, nachdem sie Nal- Lord des Vierten geworden war. Sie und einige ihrer Leute waren in einer ihrer Lieblingskneipen gewesen, als Jibb hereingekommen war. Damals war er ein Unabhängiger gewesen, selbstsicher bis hin zur Dreistigkeit, und da er noch neu in ihrem Bezirk war, hatte er nicht gewusst, wer sie war. Daher war, wenn man gerecht sein wollte, sein Vorschlag vielleicht ein wenig unanständig, aber nicht respektlos gewesen. Aber Melyor war selbst noch nicht genügend an ihre Autorität gewöhnt gewesen, um ihm das durchgehen zu lassen, und sie hatte ihren Männern befohlen, ihn zu töten. Es waren sieben gewesen, gut bewaffnet und, wie sie damals geglaubt hatte, gut ausgebildet. Drei waren gleich zu Beginn des Kampfes mit diesem Fremden umgekommen, ohne dass Jibb auch nur einen Kratzer davongetragen hätte. Zwei weitere waren gestorben, ehe Melyor die Überlebenden hatte zurückrufen können, und Jibb hatte noch nicht einmal seinen Werfer gezogen gehabt. Er hatte alles mit zwei Dolchen und den zugespitzten Stacheln an seinen Stiefeln erledigt.
Damals hatte sie gleich gewusst, dass sie den perfekten Leibwächter gefunden hatte. Aber zunächst hatte sie sich seine Achtung erringen müssen. Sie war auf ihn zugegangen, den eigenen Dolch lässig in der Hand.
»Du bist gar nicht übel«, sagte sie. »Ich könnte einen Mann wie dich brauchen.«
»Und wie ich schon sagte, bevor du deine Schläger auf mich gehetzt hast, ich könnte eine Frau wie dich brauchen.«
Sie lächelte finster. »Als Erstes solltest du aber noch ein paar Dinge über diesen Teil des Nals lernen.« Sie wies mit dem Kinn auf seine Messer. »Warum versuchen wir beide es nicht mal?«
»Du und ich?«, fragte Jibb ungläubig. Und dann hatte er gelacht und ihr die Gelegenheit gegeben, die sie brauchte. Mit einer raschen Drehung auf dem rechten Fuß hatte sie Jibb beide Messer aus den Händen getreten, ganz ähnlich wie letzte Nacht bei Savil. Dann hatte sie sich sofort wieder gedreht, in einer so fließenden Bewegung, dass sie sich selbst vorkam wie eine Figur auf dem Zierbrunnen vor dem Palast des Herrschers, und den Griff ihres eigenen Dolches gegen die Schläfe des Mannes geschlagen. Jibb war auf dem schmutzigen Kneipenboden zusammengesackt, und sie hatte sich auf ihn gestürzt, mit der freien Hand in die schwarzen Locken gegriffen und die rasiermesserscharfe Klinge des Dolchs gegen seine Kehle gedrückt.
»Ich bin Melyor i Lakin«, sagte sie ruhig. Sie war nicht einmal außer Atem. »Ich bin Nal-Lord hier im Vierten Bezirk, und du hast die Wahl. Du kannst auf der Stelle sterben, oder du kannst mir Treue schwören und mir als Leibwächter dienen.«
In den braunen Augen des großen, kräftigen Mannes hatte Staunen und vielleicht ein Hauch Angst gestanden, aber seine Antwort, die er mit fester Stimme gab, hatte sie überrascht. »Das heißt wohl, dass aus uns beiden nichts wird.« Melyor lachte laut, aber den Dolch ließ sie an seinem Hals. »Du hast Sinn für Humor«, stellte sie fest. »Das gefällt mir.
Aber ich bestehe auch darauf, dass die Männer, die für mich arbeiten, mir Respekt erweisen.« Sie packte ihn fester. »Ich warte immer noch auf eine Antwort.«
Ernüchtert hatte Jibb sie längere Zeit nur angesehen. Alle anderen Gespräche in der Bar waren längst verstummt. »Ich schwöre dir Treue, und ich werde dir in jeder Weise dienen, aber unter einer Bedingung.«
Sie hatte die Brauen fragend hochgezogen. »Feilschst du oft, wenn du ein Messer an der Kehle hast?« Jibb hatte geschwiegen, und nach einem Augenblick hatte Melyor genickt. »Was willst du?«
»Ich bin für alle Männer unter meinem Kommando selbst verantwortlich. Ich wähle sie aus, bilde sie aus und diszipliniere sie, wie ich es für angemessen halte, und niemand wird sich einmischen. Auch du nicht.«
Melyor dachte kurz darüber nach. »Also gut«, stimmte sie zu und lockerte ihren Griff. »Wir versuchen es mal.« Sie war skeptisch gewesen, hatte Jibb aber einen oder zwei Monate
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