Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser
gekleidet waren.
»Wir gehen!«, verkündete Jibb, als er und Melyor hereinkamen. »Einheit eins und zwei begleiten den Nal-Lord und mich! Ihr anderen bleibt hier, wartet aber auf mein Zeichen!«
Hektische Aktivität folgte auf diesen Befehl, und gleich danach folgte eine größere Gruppe Jibb und Melyor, die auf ihrem Weg nicht innegehalten hatten. Zwei Einheiten, dachte Melyor bei sich. Ein Dutzend Männer. Zweimal so viel wie üblich. Das konnte an ihrem Ziel liegen - ein Besuch beim Oberlord ließ selbst einen Sicherheitsmann unruhig werden, der von seinen Leistungen sehr überzeugt war. Aber Melyor hielt es für wahrscheinlicher, dass Jibb sich wegen ihrer Tat vom Abend zuvor entschlossen hatte, eine weitere Einheit mitzunehmen. Es war durchaus möglich, sogar wahrscheinlich, dass einer von Savils Leuten, vielleicht Dob, versuchen würde, seinen Nal-Lord zu rächen und selbst die Herrschaft über den Zweiten Bezirk zu übernehmen. Die Tatsache, dass Jibb das Sicherheitskontingent verdoppelte, war einfach nur eine Anerkennung des Offensichtlichen: Melyor hatte sich am vergangenen Abend eine Reihe neuer Feinde gemacht.
Melyor, Jibb und die zwölf Männer gingen durch eine weitere Tür, einen langen Flur entlang und in einen großen Heber, der sie ins Untergeschoss brachte, wo der gepanzerte private Transporter des Nal-Lords auf sie wartete.
»Zum Palast von Oberlord Cedrych«, sagte Melyor zu ihrem Fahrer, als sie einstieg. Jibb setzte sich neben sie, und zwei seiner Männer platzierten sich ihnen gegenüber. Der Rest der Sicherheitstruppe stieg in einen zweiten, größeren Transporter, der hinter dem von Melyor wartete, und die beiden Fahrzeuge bewegten sich mit einen leisen Summen vorwärts. Sie fuhren eine steile Rampe hinauf und kamen auf eine schmale Seitenstraße, die auf den Zentralplatz von Melyors Block führte, der sich nun langsam mit der üblichen Mischung aus Gesetzesbrechern, Hausierern und Arbeitern, privaten und Massentransportern zu füllen begann. Von dort aus schoben sie sich durch die morgendlich überfüllten Straßen auf eine zweite Rampe, die sie zur Höhe führte, der auf Pfeilern stehenden Straße, die es ihnen erlaubte, das endlose Gitterwerk von Plätzen und Straßen unter ihnen zu meiden.
Von oben sah das Nal aus wie eine riesige Honigwabe, wie man sie auf dem Hof besichtigen konnte. Wenn Melyor nach Südwesten schaute, konnte sie die gewaltigen Glasgebäude des landwirtschaftlichen Sektors erkennen, die sich in die schmutzig braune Luft erhoben, die wie Nebel über Bragor-Nal hing. Sie war einmal auf dem Hof gewesen, als kleines Mädchen. Ihr Vater, der damals Oberlord gewesen war, hatte sie mitgenommen, als ihn der Herrscher selbst zu einer Besichtigung des Komplexes eingeladen hatte. Sie konnte sich immer noch an die ausgedehnten überdachten Getreidefelder erinnern, an die Ähren, die unter hellen, warmen Lichtern in einem sanften künstlichen Wind schwankten, und an die hoch aufragenden Wälder aus Kiefern, Föhren, Fichten, Ahorn und Eichen, die sich scheinbar endlos in den hohen Glashimmel reckten. Es hatte auch andere Gebäude gegeben, einige von ihnen durchdrungen vom Duft von Blüten und Früchte tragenden Bäumen, andere erfüllt von dem eher unangenehmen Geruch von Kühen, Schafen und Schweinen. Sie hatte sogar die Bienenstöcke gesehen, und sie erinnerte sich, dass sie sich über das Summen von Millionen und Abermillionen von Honigbienen hinweg nur schreiend mit ihrem Vater verständigen konnte.
Aber am genauesten erinnerte sie sich an die Gardisten, die überall einzeln oder in Gruppen zu sehen waren, allesamt mit säuerlichen Mienen, in der steifen blauen Uniform der Si-Herr, der Sicherheitskräfte des Herrschers, und bewaffnet mit den größten Werfern, die Melyor jemals gesehen hatte. Sie hatte ihren Vater am Abend dieses Tages, als sie wieder zu Hause gewesen waren, nach den Männern gefragt. »Der Hof ist der wichtigste Teil von Bragor-Nal«, hatte er erklärt, als er auf ihrer Bettkante saß. Aus dem Flur war durch die angelehnte Tür ein wenig Licht hereingefallen und hatte sein Gesicht noch kantiger, sein vorzeitig ergrautes Haar heller aussehen lassen. »Er muss geschützt werden.«
»Vor wem?«, wollte sie wissen. Sie hatte den Tag mit ihm genossen - solche Tage waren eine seltene Annehmlichkeit - und sie wollte noch nicht zulassen, dass er zu Ende ging.
»Oh, vor diversen Leuten. Der Herrscher hat Feinde in Oerella-Nal und Stib-Nal, die vielleicht
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