Die Chroniken von Amarid 04 - Die Retterin des Landes
sicher, ob Orris sie verstanden hatte. Cedrych war es eindeutig nicht entgangen. Und es schien ebenso klar, dass sie sich den Oberlord damit zum Feind gemacht hatte. Aber sie wusste auch noch etwas anderes: Orris war vielleicht der einzige in Bragor-Nal, der sie beschützen konnte. Sie holte noch einmal Luft, und schließlich spürte sie, wie sie ruhiger wurde. Ihr Leben war soeben unendlich viel komplizierter geworden, aber sie hatte ihre Entscheidung getroffen, und auf seltsame Weise fühlte sie sich besser. Sie ging zu Gwilym, der mit dem Rücken zu ihr dastand, den Blick auf seinen leuchtenden goldbraunen Stein gerichtet, und legte ihm die Hand auf den Arm.
»Es tut mir Leid, Steinträger«, sagte sie. »Ich wollte nicht so kurz angebunden sein.«
Er blickte von seinem Stein auf und sah sie schweigend an. Schließlich nickte er. »Schon gut.« Er schaute zu den Gardisten und dann an ihnen vorbei zu der Tür zu Cedrychs Wohnung. »Es ginge mir allerdings erheblich besser, wenn wir erst wieder draußen wären.«
»Mir auch«, flüsterte Melyor.
Er warf ihr einen neugierigen Blick zu, sagte aber nichts mehr, und so blieben sie einfach nebeneinander stehen und warteten auf Orris.
Der Zauberer kam schon bald darauf aus Cedrychs Wohnung und ging an den Gardisten vorbei, als wären sie nicht vorhanden, den Blick starr geradeaus gerichtet. Auf seiner Schulter saß sein Falke und sah sich hoheitsvoll im Flur um, als forderte er jeden heraus, sich ihnen zu nähern. Orris sagte kein Wort, und er blieb auch nicht stehen, als er Melyor und den Steinträger erreichte, also folgten ihm die beiden wortlos zum Heber. Erst als die Tür zu war und die Kammer sich langsam senkte, brach Gwilym schließlich das angespannte Schweigen.
»Frag ihn, was passiert ist«, sagte er zu Melyor.
Sie hatte einige Zeit gebraucht, um sich an den seltsamen Dialekt des Steinträgers zu gewöhnen, aber inzwischen fiel es ihr leichter, ihn zu verstehen. »Frag ihn, was passiert ist!«, wiederholte Gwilym ungeduldig.
»Was sagt er?«, fragte Orris in Tobynmir.
»Er würde gerne wissen, was zwischen dir und Cedrych vorgefallen ist«, antwortete sie in seiner Sprache. »Und ich ebenfalls.«
Der Magier sah Gwilym an und lächelte beruhigend. »Sag ihm, der Oberlord und ich sind nicht sonderlich gut miteinander ausgekommen, und ich bezweifle, dass wir uns wiedersehen werden.«
Melyor presste einen Moment die Lippen zusammen. Sie wusste, dass Cedrych einen oft überraschte. Wenn er beschloss, dass er Orris wiedersehen wollte, würde der Zauberer kaum etwas tun können, um diese Begegnung zu vermeiden. Dennoch, sie übersetzte Gwilym, was der Zauberer gesagt hatte.
»Gut«, erklärte Gwilym anerkennend. »Ich hatte ein schlechtes Gefühl, was diesen Mann angeht.«
Als Melyor Orris erzählte, was Gwilym gesagt hatte, nickte der Zauberer zustimmend. »Ich auch.« Er sah Melyor einen Moment lang an und schien über etwas nachzudenken. »Frag ihn, ob er dir immer noch vertraut«, forderte er sie schließlich auf.
Melyor starrte ihn schweigend an. Sie hatte kurz davor gestanden, ihm von ihrem Traum zu erzählen. Sie wollte es unbedingt. Wir werden Verbündete sein!, wollte sie sagen. Ich habe es in einer Vision gesehen! Aber seine Worte hatten sie innerlich erstarren lassen. Sie stand davor, den gesamten Ehrgeiz ihres Lebens wegzuwerfen - soweit sie wusste, hatte sie das bereits getan. Wer wusste schon, was Cedrych mit ihr vorhatte? Und Orris wusste nicht einmal, ob er ihr trauen konnte? Ich bin ein Idiot, dachte sie. Und ich werde es noch schaffen, mich umbringen zu lassen, wenn ich so weitermache.
Der Heber hielt an und die Tür ging auf. Die drei verließen die Kammer und, eskortiert von mehreren Gardisten, das Gebäude. Melyors Transporter wartete am Fuß der Marmortreppe auf sie, und Cedrychs Männer öffneten die Türen. Gwilym stieg hinten ein, und Melyor und Orris setzten sich nach vorn.
»Frag ihn, ob er dir immer noch traut«, sagte Orris abermals, als Melyor den Transporter vorwärts lenkte.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Ich bin nicht deine Dolmetscherin und nicht deine Dienerin. Frag ihn selbst.«
Orris lächelte grimmig. »Du hast wohl Angst vor der Antwort?«
Sie zischte einen Fluch in Bragori. »Der Zauberer will wissen, ob du mir immer noch traust«, sagte sie zornig und warf einen kurzen Blick über die Schulter zum Steinträger. »Ich habe das Gefühl, dass er es nicht mehr tut.«
Gwilym zögerte und schaute von Melyor zu
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