Die Chroniken von Amarid 04 - Die Retterin des Landes
weil sie begriffen hat, dass es einfach falsch ist, was da passiert. Aber darüber hinaus«, fügte sie erheblich küh1er hinzu, »bedroht es das empfindliche Gleichgewicht, das seit mehreren hundert Jahren zwischen unseren drei Nals besteht. Ich werde nicht zulassen, dass so etwas geschieht. Ich verlange nun offiziell, dass die Initiative gegen Tobyn-Ser eingestellt wird, und zwar als Teil der Bestrafung von Bragor-Nal für die Vorfälle in meinem Nal. Wenn dieser Forderung nicht entsprochen wird, wird die Matriarchie von Oerella-Nal das als Grund für einen Krieg betrachten.« Durell sah sie zornig an, aber zumindest im Augenblick interessierte sich Shivohn viel mehr für Marars Reaktion. Als sie ein paar Tage zuvor mit Melyor und Orris gesprochen hatte, hatte Shivohn ihnen gesagt, der Herrscher von Stib-Nal sei zwar ein Feigling und ein Dummkopf, aber immerhin schlau genug, um zu erlauben, dass Bragor-Nal Tobyn-Ser eroberte, wenn das bedeutete, die Unabhängigkeit von Stib-Nal dadurch bewahren zu können. Seitdem hatte Shivohn allerdings begriffen, dass Marar einer ganz anderen Entscheidung gegenüberstand: Er konnte entweder Bragor-Nals Angriffe auf Tobyn-Ser gutheißen oder den Status quo erhalten. Shivohn fragte sich nun, ob Marar intelligent genug war zu begreifen, was ein Erfolg der Tobyn-Ser-Initiative für die Zukunft seines Nal bedeuten würde. Stib-Nal existierte nur noch wegen der Rivalität zwischen Oerella-Nal und Bragor-Nal, die verlangte, dass die Herrscher von Bragor-Nal im Rat einen gewissen Vorteil brauchten. Wenn Cedrychs Tobyn-Ser-Initiative Erfolg hätte und Bragor-Nal genügend wirtschaftliche und militärische Macht verschaffen würde, um Oerella-Nal zu unterwerfen, würde Stib-Nal überflüssig werden. Und wenn Shivohn Marars beunruhigten Blick richtig deutete, hatte er das gerade begriffen.
Durell schien ebenfalls zu erkennen, um was es hier ging. »Ich brauche Zeit, um über diese Angelegenheit nachzudenken«, erklärte er zornig und stand auf.
Shivohn schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Wie bitte?«
Shivohn blickte auf und lächelte ihn an. »Ich sagte nein. Ich will nicht, dass du Gelegenheit erhältst, Marar so einzuschüchtern, dass er sich auf deine Seite stellt. Ich möchte, dass wir sofort über diese Sache abstimmen.«
Durell fletschte die Zähne zu einem falschen Grinsen. »Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst, Shivohn. Marar kann abstimmen, wie er will, wie er es auch bei allen anderen Fragen konnte, die diesem Rat vorlagen.«
»Gut. Dann hast du also nichts dagegen, wenn wir noch vor einer Pause darüber abstimmen.«
Durell biss die Zähne zusammen und starrte einen Augenblick drohend auf Shivohn hinab, dann setzte er sich wieder hin.
»Marar.« Shivohn wandte sich dem Herrscher von Stib-Nal zu. »Es ist offensichtlich, wie Durell und ich uns entscheiden werden. Was ist mit dir?«
Der dritte Herrscher räusperte sich und warf Durell einen nervösen Blick zu. »Man sollte annehmen«, sagte er bedächtig und räusperte sich ein zweites Mal, »wenn diese Behauptungen der Wahrheit entsprechen, sollten sie uns alle beunruhigen.« Er verzog leicht das Gesicht. »Damit will ich sagen, wenn einer meiner Untergebenen sich in eine solche Sache verstrickt hätte - ohne mein Wissen selbstverständlich«, fügte er rasch mit einem Blick auf Durell hinzu. »Wenn so etwas geschähe, wäre ich ebenso erschrocken, wie ich es von meinen Mitherrschern erwarten würde. Wenn dies also der Wahrheit entspricht, dann würde ich erwarten, dass der verantwortliche Herrscher, wenn er von einer solchen Sache erfährt - ich spreche hier von dem Herrscher, der für die Person verantwortlich ist, die dies getan hat, denn selbstverständlich würde kein Herrscher so etwas willentlich dulden -, der verantwortliche Herrscher also würde dieses Projekt aufhalten wollen, bevor es zu weit geht. Selbstverständlich nur, falls die Behauptungen der Wahrheit entsprechen. Wir sollten versuchen herauszufinden, ob das der Fall ist.«
Dann hörte er gnädigerweise auf zu sprechen. Shivohn musste ein Lachen unterdrücken und sah Durell an. Trotz Marars gewundener und wirrer Sätze hatte er zumindest die Möglichkeit angedeutet, dass er in diesem Fall gegen Durell stimmen könnte. Aber was noch wichtiger war, er hatte dem Herrscher von Bragor-Nal einen Ausweg geliefert. Wenn einer meiner Untergebenen sich in eine solche Sache verstrickt hätte - ohne mein Wissen selbstverständlich ...
Durell saß vollkommen
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