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Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise

Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise

Titel: Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David B. Coe
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isolieren.
    Also wartete er und beobachtete und ließ sich Zeit, denn davon hatte er im Überfluss. Er sah Jaryd und Alayna in ihrem Heim an der Südbucht, und er beobachtete die Geburt ihrer kleinen Tochter. Er wusste von Orris' Trotz gegen den Orden, und er beobachtete interessiert und zufrieden, wie Erland und seine Verbündeten ihre kleine Liga bildeten und die Magie spalteten. Und in letzter Zeit hatte er beobachten können, wie so genannte freie Magier versuchten, ihre Spuren im Land zu hinterlassen, und ihre wiederholten Fehler und ihre wachsende Verzweiflung hatten ihm endlich die Gelegenheit geboten, auf die er gewartet hatte. Aber es musste noch vieles geschehen, erinnerte er sich immer wieder. So vieles, auf das er keinen direkten Einfluss hatte.
    Im Augenblick sah er überall im Land Cerylle blinken, und obwohl er den Grund noch nicht kannte, fragte er sich, ob dies vielleicht die Gelegenheit war, auf die er gewartet hatte. Immerhin benutzten sie seinen Stein. Er hatte in Visionen entdeckt, wie sich Muster bildeten. In der Welt von Traum und Gedanken, in die sich die Unbehausten begaben, wenn sie ruhten, hatte er die Zukunft erblickt. Oder genauer gesagt, er hatte eine mögliche Zukunft unter vielen gesehen, und in ihr einen Weg, Rache zu nehmen. Er hatte versucht, so viel wie möglich über die Macht herauszufinden, über die er noch verfügte. Wenn der richtige Augenblick kam, würde er bereit sein. Er musste nur warten und Geduld haben. Und Zeit war das Einzige, worüber er im Überfluss verfügte.

7
     
    I n deinem letzten Brief klangst du überrascht, dass ich dich in solchen Einzelheiten über die politischen Manöver innerhalb des Herrscherrats und in jedem einzelnen Nal informierte. Wie hast du es noch ausgedrückt? »Mir genügt es zu wissen, dass du und Shivohn weiter über eure jeweiligen Nals herrscht und miteinander verbündet seid. Der Rest betrifft mich wenig.«
    Ich bin vollkommen anderer Meinung. Du hast mir öfter erzählt, dass es dich früher immer geärgert hat, wenn deine Kollegen im Orden die Welt auf ähnlich eingeschränkte Weise betrachten. Angesichts von Tobyn-Sers nun recht ausgedehnten Handelsbeziehungen müssen seine Oberhäupter sich für alles interessieren, was mit den Handelspartnern des Landes zu tun hat, ganz gleich, wie undurchschaubar es ihnen zunächst vorkommen mag. Ebenso wie du versuchst, alles über die Liga herauszufinden, musst du auch darüber informiert bleiben, was in Lon-Ser geschieht.
    Melyor i Lakin, Herrscherin und Steinträgerin von Bragor-Nal an Falkenmagier Orris, Tag 1, Woche 11, Winter 3067
     
    »Es tut mir Leid, Herrscherin«, sagte die Frau auf dem Sprechschirm, aber ihr Grinsen zeigte Melyor deutlich, dass ihr überhaupt nichts Leid tat. »Die designierte Herrscherin Wiercia kann im Augenblick nicht mit dir sprechen. Sie hat furchtbar viel mit der Planung ihrer Amtseinführung zu tun. Wenn du dich vielleicht danach -«
    Melyor schüttelte zornig den Kopf. »Nein, die Sache kann nicht warten!«
    Die Miene der Frau wurde härter. »Ich furchte, es wird warten müssen!« Sie beugte sich vor, als wollte sie den Schirm abschalten.
    »Nein!«, sagte Melyor rasch, was der anderen Frau ein weiteres Grinsen entlockte. Melyor schloss die Augen und holte tief Luft. Sie ist eine Legatin, sagte sie sich. Behandle sie entsprechend.
    »Bitte«, begann sie abermals. »Das hier ist wirklich wichtig. Mir ist klar, dass Wiercia viel zu tun hat, aber ich muss mit ihr über das Attentat auf Shivohn sprechen.«
    Die Legatin kniff die Augen zusammen. »Wir wissen, was bei dem Attentat auf Herrscherin Shivohn geschehen ist. Die designierte Herrscherin Wiercia hat vor, die Angelegenheit bei der nächsten Ratssitzung vorzubringen.« »Das kann sie nicht!«, sagte Melyor.
    »Aber selbstverständlich kann sie das. Ich bin sicher, Marar wird fasziniert sein zu erfahren, dass es eine Attentäterin aus Bragor-Nal war, die Herrscherin Shivohn getötet hat.«
    Wieder schüttelte Melyor den Kopf. »So war es nicht.« Aber sie wusste, sie hatte keine Chance, die Frau zu überzeugen. Sie hatte in den letzten Tagen mit mehreren Legatinnen immer wieder das gleiche Gespräch geführt. Vielleicht hatte sie sogar schon mit dieser Frau hier gesprochen. Es war schwer zu sagen. Mit ihrem schwarzen Kopfputz sahen alle Legatinnen von Oerella-Nal gleich aus: mürrisch und kalt. Und sie waren zweifellos alle gleich, was ihre Entschlossenheit anging, Melyor nicht mit Wiercia sprechen zu

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