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Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise

Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise

Titel: Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David B. Coe
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die nun neben ihm auf der Schwelle der Großen Halle stand. Als die Frau den großen Vogel sah, keuchte sie erschrocken und wich zurück. »Aricks Faust!«, hauchte sie. »Das ist der größte Falke, den ich je gesehen habe!«
    »Das liegt daran, dass sie kein Falke ist«, erwiderte Jaryd. »Sie ist ein Adler.«
    Zunächst schien die Frau nicht gehört zu haben, was er sagte. Sie starrte den Vogel weiterhin mit unverhohlenem Staunen an. Aber nach einem Augenblick riss sie plötzlich den Kopf hoch und schaute Jaryd ins Gesicht. »Ein Adler?«, wiederholte sie.
    Jaryd nickte.
    Inzwischen stand Alayna neben ihm auf der Schwelle und starrte die Frau ziemlich gereizt an. »Ich glaube, der Adlerweise Jaryd hat dich gerade gebeten, den Eulenweisen zu wecken«, erklärte sie scharf. »Bitte zwing uns nicht, das noch einmal zu wiederholen.«
    »Selbstverständlich, Eulenmeisterin!«, sagte die Dienerin und nickte hektisch, bevor sie davonhuschte. »Bitte kommt herein!«, rief sie über die Schulter. »Der Weise wird sich sofort um alles kümmern!«
    Die Frau verschwand hinter einer Tür, aber beinahe sofort tauchten mehrere weitere Diener auf, und innerhalb von wenigen Minuten herrschte in der Halle betriebsame Geschäftigkeit. Diener kamen mit Essen, das sie auf den Ratstisch inmitten des Versammlungssaals stellten. Jaryd erspähte andere, die Bettwäsche in ein kleines Zimmer weiter hinten in der Halle brachten, und ein älterer Mann, ebenfalls in blauem Gewand, erklärte, man habe ihre Pferde zu einem nahe gelegenen Stall gebracht, wo sie gut versorgt seien.
    Myn erwachte, und als sie das kleine Festessen entdeckte, das man für sie vorbereitet hatte, verkündete sie, sie sei zu hungrig um weiterzuschlafen. Alayna nahm sie aus Jaryds Armen und trug sie zum Tisch, denn in diesem Augenblick kam Radomil aus seinem Zimmer, begleitet von seiner Frau Ilianne.
    »Adlerweiser!«, rief er mit seiner tiefen Stimme und kam über den Marmorboden der Halle auf sie zu. »Willkommen in Amarid!«
    Jaryd spürte, wie er errötete. »Ich bin es nur, Radomil.«
    Der untersetzte Mann zeigte auf den gewaltigen goldfarbenen Vogel an Jaryds Seite. »Und hast du dich nicht an dieses großartige Geschöpf gebunden?«
    Jaryd gab mit einem Grinsen und einem verlegenen Schulterzucken klein bei.
    Radomil umarmte Jaryd fest. »Ich freue mich, dich zu sehen«, flüsterte er und tätschelte Jaryds Rücken. »Selbst unter diesen Umständen freue ich mich, dich zu sehen.« Dann ließ Radomil ihn los und wandte sich Alayna und Myn zu. »Hallo, Alayna!«, sagte er vergnügt. »Wer ist diese junge Frau, die du da mitgebracht hast?«
    Myn starrte ihn aus großen Augen an. »Ich bin es, Eulenweiser!«, sagte sie. »Myn!«
    »Myn?«, fragte Radomil mit übertriebenem Stirnrunzeln. »Unmöglich! Myn ist nur ein kleines Mädchen! Du bist viel zu alt, um Myn zu sein.«
    »Nein, wirklich!«, beharrte das Mädchen. »Ich bin es!«
    Der Weise hockte sich neben sie. »Bist du sicher?«, fragte er. Sie nickte, und Radomil begann zu lachen. »Nun gut«, sagte er. »Ich glaube dir.« Er stand wieder auf und umarmte Alayna. »Sie sieht dir so ähnlich, Alayna.« Dann warf er Jaryd einen boshaften Blick zu. »Das Kind hat Glück gehabt.« Alayna lachte, ebenso wie Jaryd und Radomil.
    »Hör einfach nicht auf ihn, Jaryd«, sagte Ilianne, ein Lächeln auf dem runden, freundlichen Gesicht. »Ich sehe ebenso viel von dir in Myn wie von Alayna. Tatsächlich ist die Einzige, der sie wirklich ähnlich sieht, deine Mutter.« »Ich weiß«, stimmte Jaryd zu. »Sie hat auch das Temperament meiner Mutter geerbt.«
    Radomil lachte abermals, aber einen Augenblick später verschwand seine Heiterkeit, und seine Miene wurde grimmig. Er sah alt aus, begriff Jaryd. Es war nun mehr Grau in seinem Bart, und selbst verquollen vom Schlaf war sein Gesicht faltig und abgehärmt. Der Weise beäugte Rithlar ein zweites Mal und näherte sich ihr dann vorsichtig. »Lässt sie sich anfassen?«, fragte er über die Schulter hinweg und wandte den Blick dabei nicht von dem Adler ab. »Ja«, erwiderte Jaryd. »Sie ist nicht so wild, wie sie aussieht.«
    Der Weise nickte. »Ich bin einem Adler noch nie so nahe gekommen«, flüsterte er und hockte sich wieder hin, um Rithlar genauer zu betrachten. »Ich hätte mir nie vorstellen können, dass sie so groß werden. Oder so schön«, fügte er mit einem Seitenblick auf Jaryd rasch hinzu. Er kraulte dem Vogel das Kinn, und Rithlar schloss die Augen und streckte

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