Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise

Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise

Titel: Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David B. Coe
Vom Netzwerk:
Sie holte tief Luft. »Zumindest niemand, der noch lebt.«
    »Niemand, der noch lebt?«, erwiderte Henryk mit einem fragenden Ausdruck auf dem kantigen Gesicht. Aber Nodin verstand bereits, worauf sie hinauswollte. Tatsächlich kam es ihm sogar beinahe vernünftig vor. Jeder wusste, dass die Unbehausten dem Orden vor zwölf Jahren auf Phehlans Dorn geholfen hatten, die Fremden zu besiegen. Offensichtlich verfugten sie immer noch über eine Art von Macht. Und wenn man sie überzeugen konnte, den Umhanglosen zu helfen, würde die Volksbewegung vielleicht im Stande sein, die Vorteile ihrer Rivalen auszugleichen. Nodin erkannte die Logik hinter Tammens Vorschlag.
    Aber er konnte auch nicht die kalte Angst leugnen, die ihn überfallen hatte, sobald er ihre Worte hörte, als hätte einer dieser unbehausten Geister seine eisige Hand um Nodins Herz gelegt. Therons Fluch war keine Kleinigkeit. Kein Magier, der auch nur einen einzigen Tag ungebunden verbracht hatte, würde daran zweifeln. Und zu denen, die Opfer des Fluchs geworden waren, zu denen, die Tammen versuchen wollte, auf ihre Seite zu ziehen, gehörten auch einige der furchterregendsten und ... böswilligsten Gestalten in der Geschichte des Landes.
    »Das ist nicht dein Ernst!« Henryk riss die dunklen Augen auf, als er endlich begriffen hatte, was sie da vorschlug. »Wir sollen uns an die Unbehausten wenden?«
    »Ja«, antwortete sie mit fester Stimme. »Ich habe schon seit ein paar Tagen darüber nachgedacht, und ich sehe keine
    andere Möglichkeit, das Überleben der Bewegung zu sichern.«
    »Aber das ist doch Unsinn! Warum sollten sie uns helfen? Alle Unbehausten gehörten einmal zum Orden. Sie haben kein Interesse daran, uns oder der Bewegung zu helfen.« »Einige schon«, erklärte Tammen spitz. »Einige von ihnen sind nicht gut auf den Orden zu sprechen.«
    Henryk zeigte mit starrem Finger auf sie. »Ich werde nicht zu Therons Hain gehen.«
    »Das verlangt auch niemand von dir, Henryk«, erwiderte sie.
    »Und wer wird uns dann helfen?«
    Nodin wusste, was sie sagen würde, bevor sie es aussprach. Sie war in Wasserbogen aufgewachsen, und das bedeutete, dass sie dem Orden niemals trauen würde. Es bedeutete darüber hinaus jedoch auch, dass sie dort, wo der Rest des Landes einen Verräter und Mörder sah, einen Heiler und Rächer erlebt hatte, einen Mann, der ihr Leben und das, was von ihrem Zuhause geblieben war, gerettet hatte.
    »Sartol«, sagte Tammen.
    Schon der Name des Eulenmeisters ließ Nodin erschaudern. Es war egal, ob Sartol die Fremden in Wasserbogen getötet hatte, um seinen Verrat geheim zu halten. Es war egal, dass er genau diesen Fremden geholfen hatte, dass er den Angriff auf Wasserbogen erst möglich gemacht hatte. Für Tammen und die anderen, die diese Schreckensnacht überlebt hatten, zählte ausschließlich, dass Sartol den Angriff beendet und die Toten gerächt hatte. Für diese Menschen war Sartol ein Held. Ihnen war egal, was der Rest von Tobyn-Ser dachte.
    »Sartol?«, sagte Henryk. »Aber der Mann war ein Verräter!
    Er hat den Fremden geholfen! Wieso sollte er der Bewegung helfen wollen?«
    Tammen sah ihn kühl an. »Du klingst wie ein Ordensmagier, Henryk.«
    Henryk sprang auf, und seine Augen blitzten im Licht des Feuers und der Cerylle. Aber irgendwie gelang es ihm, sich zusammenzunehmen, und als er wieder sprach, war seine Stimme überraschend ruhig. »Ich sage dir nur, was ich sicher weiß. Sartol hat den Orden und Tobyn-Ser verraten. Er hat die Weise und ihren Ersten getötet.« Er hob beinahe flehend die Hände. »Diese Dinge sind Geschichte, Tammen. Es sind keine Märchen, die der Orden erfunden hat. Wir sprechen hier von Tatsachen.«
    »Und was hältst du von der Tatsache, dass er mir das Leben gerettet hat? Wäre Sartol nicht gewesen, dann wäre Wasserbogen vollkommen zerstört worden und ich wäre gestorben, ebenso wie meine Eltern. Ebenso wie meine Schwestern.«
    Henryk setzte zu einer Antwort an, aber dann hielt er inne. Lange Zeit betrachtete er Tammen traurig. »Ich werde das nicht tun«, sagte er schließlich. »Ich weiß, dass du ihm vertraust - vielleicht kann ich sogar bis zu einem gewissen Grad verstehen, warum -, aber ich weiß, was er im Leben war, und ich werde ihn nicht um Hilfe bitten, selbst jetzt nicht.«
    »Aber uns bleibt nichts anderes übrig!«, erklärte Tammen. »Wir brauchen Hilfe!«
    »Da magst du Recht haben«, erwiderte Henryk. »Aber wir brauchen keine Hilfe von den Unbehausten!«
    Sie war zornig

Weitere Kostenlose Bücher