Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise
Goldpalast von Bragor-Nal verband. Das tat er allerdings erst, nachdem er sich versichert hatte, dass sein Gespräch nicht überwacht oder aufgezeichnet werden würde. Einen Augenblick später tauchte das Gesicht von einem von Melyors Leibwächtern auf. Marar kannte den Mann nicht.
»Ja, Herrscher?«, sagte der Mann mit angemessener Höflichkeit. »Was kann ich für dich tun?«
Der Herrscher blickte wieder auf seinen Schreibtisch, als wäre er schon gelangweilt von dem Gespräch. »Ich möchte mit der Herrscherin sprechen.«
Der Mann nickte. »Selbstverständlich. Einen Augenblick bitte.«
Der Leibwächter drückte auf einen Knopf an der Konsole, und der Schirm war einen Augenblick lang leer. Das nächste Gesicht, das erschien, war das von Melyor. Sie trug dieselbe Kleidung wie zuvor - wie jedes Mal, wenn Marar sie sah -, nämlich ein elfenbeinfarbenes Hemd und eine dunkle, weit geschnittene Hose. Er konnte ihren Oberschenkel nicht sehen, nahm aber an, dass sie einen Werfer umgeschnallt hatte. Das hatte sie immer. Viele hielten sie für schön, das wusste er, und er konnte sehen, warum. Sobald Melyors Bild auf dem Schirm erschien, begann ein Licht auf Marars Konsole zu blinken.
»Du zeichnest das Gespräch auf«, sagte Marar lächelnd. Die Frau nickte. »Ja. Ist das ein Problem?«
»Ich möchte dich bitten, das Gerät abzuschalten.« »Warum?«, fragte sie mit tückischem Grinsen.
Marar zuckte die Achseln und tat gleichgültig. »Ich gestatte im Allgemeinen nicht, dass Gespräche mit mir aufgezeichnet werden. Wenn wir miteinander sprechen wollen, musst du das Gerät abschalten.«
»Du warst es, der sich mit mir in Verbindung gesetzt hat, Marar. Was bringt dich darauf, dass ich überhaupt daran interessiert bin, mit dir zu sprechen?«
»Vielleicht hast du Recht. Wie unverschämt von mir. Sollen wir uns ein andermal unterhalten?«
Sie sah ihn einen Augenblick lang an, dann streckte sie die Hand aus und drückte auf einen Knopf an ihrem Schirm. Das Licht an Marars Konsole hörte auf zu blinken. »Danke«, sagte er lächelnd.
»Was kann ich für dich tun, Marar?«, fragte sie mit deutlicher Ungeduld.
»Kann ich mich nicht einfach nur mit dir unterhalten wollen?«
»Das tust du sonst nie. Und außerdem habe ich schon bei der Ratssitzung alles gesagt, was ich zu sagen hatte.« Er zog die Brauen hoch. »Das bezweifle ich.«
»Wie meinst du das?«, wollte Melyor wissen und kniff die Augen zusammen.
»Ich bin einfach der Ansicht, dass bei der heutigen Besprechung vieles unausgesprochen blieb.«
»Ich verstehe nicht, was du damit sagen willst.« Marar lächelte erneut. Er wusste genau, dass sie ihn verstanden hatte, denn er sah die Angst in ihrem Blick. »Lassen wir doch die Spielchen, Melyor. Das ist eine Beleidigung für uns beide.«
Sie starrte ihn einige Zeit schweigend an. Dann nickte sie einmal, als wäre sie zu einem Entschluss gekommen. Vielleicht hatte sie auch kurz gegrinst - es war schwierig zu sagen. »Also gut, Marar«, sagte sie. »Was willst du? Warum hast du Shivohn umbringen lassen, und warum hast du diesen Attentäter ausgeschickt?«
Er zog die Brauen abermals hoch. »Glaubst du etwa, ich wäre dafür verantwortlich?«
»Ich dachte, du wolltest keine Spielchen mehr.«
»Nein.« Er hielt kurz inne, dann lächelte er. »Betrachten wir es doch vollkommen hypothetisch: Selbst wenn ich tatsächlich all das getan hätte, was du sagst, würde es mir immer noch schwer fallen, ehrlich auf deine Fragen zu antworten.«
Sie sah ihn skeptisch an. »Warum?«
»Du sagst das, als gebe es auf alles nur eine einzige Antwort«, erwiderte er. »Und das geht nicht. Was will ich? Warum habe ich Shivohn umbringen lassen? Warum habe ich versucht, dich zu töten? Das sind drei unterschiedliche Dinge.«
»Drei oder zwei?«
Marar lachte leise und neigte den Kopf leicht zur Seite. »Also gut, vielleicht nur zwei.«
»Dann gib mir eben zwei Antworten«, sagte Melyor, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Aber es sollten gute Antworten sein, Marar. Technisch gesehen ist das, was du getan hast, ein feindseliger Akt, und ganz gleich, ob du nun glaubst, dass Stib-Nal in den vergangenen Jahren Fortschritte gemacht hat oder nicht, ich sollte dich nicht daran erinnern müssen, dass meine Armee immer noch viel mächtiger ist als deine.«
Marar lächelte entwaffnend. »Selbstverständlich, Herrscherin.« Und du solltest nicht vergessen, hätte er am liebsten gesagt, dass ich im Stande war,
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