Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise
gebunden hatte - und nicht nur an irgendeinen Magier, sondern an seinen eigenen Neffen -, war unglaublich genug. Aber dass es zwei Adlerweise zur gleichen Zeit geben sollte, war einfach nicht zu fassen. Er wusste nicht, ob er ängstlich oder hoffnungsvoll sein sollte, aber auf seltsame Weise konnte er sich einer gewissen Ehrfurcht vor der Situation nicht entziehen. Er hätte nie geglaubt, so etwas zu erleben.
»Bist du sicher, dass du dich vor ihr gebunden hast?«, brach Tramys schließlich das Schweigen. »Hast du dich davon auch wirklich genau überzeugt?«
»Ich weiß nicht, was für einen Unterschied das machen sollte«, sagte Orlanne, bevor Jaryd antworten konnte. »Wenn wir die Liga bekriegen müssen, ist es wirklich egal, wer sich zuerst gebunden hat.«
»Aber wenn es zu einem Krieg mit Lon-Ser kommt«, erwiderte Tramys ernst, »könnte das von entscheidender Bedeutung sein. Der Magier, der sich als Erster gebunden hat, wird die Armee befehligen.« Wieder sah er Jaryd an. »Oder etwa nicht, Adlerweiser?«
Jaryd holte tief Luft und verzog missbilligend das Gesicht. »So weit hatte ich noch nicht vorausgedacht.«
Ein weiterer jüngerer Magier erhob sich. »Wenn die Götter wollen, dass wir zusammen mit der Liga kämpfen, warum sollten sie dann zwei Adler schicken? Sie hätten nur einen geschickt. Und das muss bedeuten, dass uns ein Bürgerkrieg bevorsteht, wie Baden schon vor ein paar Tagen angenommen hat.«
»Unsinn!« Nun stand auch Mered auf. »Sie haben vielleicht zwei Adler geschickt, weil unser Feind diesmal mächtiger ist als jeder, dem wir je gegenüberstanden. Das wird zweifellos der Fall sein, wenn wir gegen Lon-Ser kämpfen müssen.«
Andere nickten.
»Vielleicht ist es auch ein Zeichen dafür, dass wir mehr als einem Feind gegenüberstehen werden«, fügte Neysa hinzu. »Vielleicht werden wir sowohl von Lon-Ser als auch von den Tempeln bedroht. Die Kinder der Götter haben Waffen gekauft.«
Mered warf ihr einen skeptischen Blick zu. »Warum sollten die Götter uns auch nur einen einzigen Adler schicken, wenn wir gegen die Hüter kämpfen?«
Die hoch gewachsene Frau zuckte die Achseln. »Wenn die Kinder der Götter sich in ihrer Goldgier gegen das Volk von Tobyn-Ser wenden, könnte so etwas wohl geschehen.« Mehrere Magier stimmten ihr lauthals zu, und beinahe sofort begannen die Auseinandersetzungen am Ratstisch. »Das ist alles viel zu voreilig«, sagte Jaryd laut und brachte die Diskussionen so rasch zu Ende, wie sie begonnen hatten. »Wir wissen einfach nicht genug, um irgendwelche Schlüsse ziehen zu können. Diese Art von Spekulationen bringt uns nicht weiter.«
»Worüber hast du mit Cailin eigentlich genau gesprochen?«, fragte Baden. »Du hast uns von ihrem Adler erzählt, aber mich würde viel mehr interessieren, wie euer Gespräch im Einzelnen verlaufen ist.«
Der Adlerweise lächelte und nickte, als wollte er Baden für diese Frage danken. »Es war kein einfaches Gespräch«, begann er mit einem raschen Blick zu Alayna. »Cailin glaubt anscheinend, dass der Orden und die Liga sich bei einem kommenden Krieg zusammentun sollten, aber sie ist alles andere als überzeugt, ob der Rest der Liga so etwas akzeptieren wird. Sie ist nicht einmal sicher, ob Erland zurücktreten und gestatten wird, dass sie nun die Liga anführt.«
»Sie haben sie noch nicht zur Adlerweisen gemacht?«, fragte Sonel erstaunt.
»Sie wissen noch nicht einmal, dass sie sich an einen Adler gebunden hat.«
Baden riss die Augen auf. »Was?«
»Nun«, gab Jaryd zu, »inzwischen wissen sie es vielleicht. Aber gestern Nacht wussten sie es noch nicht.«
Sonel schüttelte den Kopf. »Wie ist das möglich?«
»Es sieht so aus, als wäre Cailins Einfluss auf die Liga nicht mehr das, was er einmal war«, erklärte Alayna. »Erland wird selbst von den jüngeren Falkenmagiern in hohen Ehren gehalten, aber Cailin hat ihre Gunst nicht mehr.« »Aber warum?«, fragte Sonel nach. »Es gab eine Zeit, da bedeutete sie ihnen alles.« Sie war Cailin vor vielen Jahren begegnet, erinnerte sich Baden nun, als sie noch Euleweise gewesen war und Cailin nur ein Kind, das sich damals an seinen ersten Falken gebunden hatte. Sonel war recht beeindruckt von ihr gewesen.
Alayna lächelte dünn. »Anscheinend geben die Magier der Liga, besonders Erland, Cailin die Schuld dafür, dass der Orden diese letzten Jahre überlebt hat.«
»Das ist doch lächerlich«, sagte Sonel.
»Mag sein«, stimmte Radomil ihr zu. »Aber es ist nicht
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