Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise
eingeschlossen.
»Ich weiß, was sie mir angetan haben, Orlanne«, sagte Orris schließlich leise. »Und ich bin nicht bereit, Erland gegenüber Zugeständnisse zu machen. Aber Cailin ist für mich eine ganz andere Sache. Besonders jetzt, da sie Adlerweise ist. Es könnte gut sein, dass die Liga in dem bevorstehenden Kampf unser Feind sein wird. Aber wenn die Götter diese Vögel geschickt haben, um uns ein Zeichen zu geben, dass Orden und Liga zusammenarbeiten müssen, um Tobyn-Ser zu retten ...« Er zuckte die Achseln. »Ich bin nicht so eitel, dass ich mich den Göttern widersetzen würde, um meine eigene Rachgier zu stillen.« Er warf Baden einen Blick zu und grinste. »Zumindest inzwischen nicht mehr.«
Baden lachte ebenso wie mehrere andere Magier. Aber der Eulenmeister bemerkte, dass Orlanne und Tramys diese Bemerkung nicht komisch fanden.
»Seht ihr, was ich sehe, wenn ich mich in diesem Saal umschaue?«, fragte Tramys, und sein Tonfall war trotz seines traurigen Blicks streng. »Ich sehe Magier, die sich immer noch schuldig fühlen, weil sie vor so vielen Jahren gestattet haben, dass Erland ging. Ihr haltet diesen Orden immer noch für unvollständig; ihr glaubt, er kann nie wieder ganz werden, bevor wir nicht alle erneut in dieser Halle vereint haben.« Er schüttelte den Kopf. »Wir, die wir uns dem Orden nach der Trennung angeschlossen haben, haben das getan, weil wir den Orden als Hüter von Amarids Erbe betrachten. Wir haben uns für den grünen Umhang entschieden. Deshalb sind wir hier. Wir geben euch keine Schuld daran, was Erland getan hat, und wir haben nicht den Wunsch, Ligamagier an diesem Tisch zu sehen. Für uns ist die Liga ein Betrug. Wenn ihre Mitglieder Amarids Erbe in Ehren hielten, würden sie sich an seine Gesetze halten.« Er wandte sich Orris zu. »Es tut mir Leid, Orris, aber so empfinde ich es. Selbst wenn du ihnen verzeihen kannst, was sie dir angetan haben - ich kann es nicht.« Er sah wieder die anderen an. »Aber so sehr wir die Liga hassen, wir akzeptieren auch, dass sie existiert, und es ist Zeit für euch andere, dasselbe zu tun. Diese Versöhnung, auf die ihr wartet, wird es nicht geben. Die Magier der Liga wollen es nicht, und selbst das Auftauchen von hundert Adlern würde daran nichts ändern.«
Baden hörte die Wahrheit in Tramys' Worten. Als er über den Tisch hinweg Sonel ansah, erkannte er in ihrer Miene, dass es ihr ebenso ging. Er wusste nicht mehr, was er sagen sollte.
Er konnte nur zustimmend nicken, als Alayna Tramys nun bedrückt ansah und ihrer Angst Ausdruck verlieh. »Ich kann nur hoffen, Tramys«, sagte sie, »dass es den Magiern der Liga gelingt, über ihre Feindseligkeit gegenüber dem Orden hinwegzuschauen. Denn wenn du Recht hast und sie es nicht können, dann ist unser Volk dem Untergang geweiht.«
Sie hatte kurz daran gedacht, sich als Erstes an Erland zu wenden. Vielleicht, hatte sie gedacht, wenn ich mit ihm allein spreche, wenn die anderen nicht zuhören, könnte ich ihm klar machen, dass mein Adler mehr darstellt als eine Bedrohung seiner Position in der Liga. Aber sie brauchte nicht lange, um diese Idee zu verwerfen. Er war ihr gegenüber unter vier Augen niemals ehrlicher gewesen als vor den anderen. Es wäre besser, beschloss sie schließlich, ihn in Gegenwart der anderen Magier mit ihrem Adler zu konfrontieren.
Also sah Cailin am Morgen nach ihrem beunruhigenden Besuch in der Großen Halle von weitem zu, wie ihre Mitmagier in ihren leuchtend blauen Umhängen die Halle der Liga betraten, um das Konklave zu beginnen. Erst als sie sicher war, dass alle anderen drin waren, verließ sie ihr Versteck in der schmalen Gasse und ging auf die großen Tore der Halle zu, während Rithel über sie hinwegflog.
Trotz aller Bemühungen Erlands und der anderen sah der Versammlungsort der Liga schließlich doch ganz ähnlich aus wie die Große Halle des Ordens. Beide Gebäude waren oval, beide hatten blaue Kuppeln und hohe hölzerne Bogentore. Die Halle der Liga hatte Marmorstatuen auf dem Dach statt der glitzernden Kristallfiguren auf der Großen Halle, und die Fenster des Ligagebäudes bestanden aus buntem Glas, aber in jeder anderen Hinsicht sahen sich die Gebäude recht ähnlich. Cailin war diese Ironie nicht entgangen, und sie fiel ihr mit jedem Jahr deutlicher ins Auge. Als sie die Tore erreichte, holte sie tief Luft, dann öffnete sie das Tor und ging hinein. Rithel hüpfte hinter ihr her und sprang ihr dann auf den Arm, und der Eisengriff ihrer
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