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Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn

Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn

Titel: Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David B. Coe
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Augenblick gab es mehr als das. Abrupt hatte sich das Flüstern in ihrem Kopf verändert, wurde auf eine Art drängend, die Rhonwen noch nie zuvor gehört hatte. Selbst wenn die Stimmen uneins waren, wenn sich die Unbehausten stritten, war eine Art von Ordnung unter ihnen festzustellen, die ihr erlaubte zu verfolgen, was gesagt oder, um genauer zu sein, gedacht wurde. Es war in gewisser Weise nicht anders als bei einer Versammlung in der Großen Halle von Amarid. Aber nun war offensichtlich etwas geschehen, das diese Ordnung zerstört hatte, und geblieben war ein Lärm, der Rhonwen betäubte und verängstigte. Sie konnte nicht viel von dem verstehen, was die anderen sagten; sie wusste nur, dass sie zornig und waren und sich fürchteten. Dann wurde in dem Chaos in ihrem Kopf ein Name deutlich. Ein Name, den die anderen immer wieder dachten: Sartol.
    Sartol. Die einzige Stimme, die sie in ihrem Kopf nie gehört hatte. Der einzige Magier unter den Unbehausten, der nie angesprochen werden durfte. Sie wusste selbstverständlich, wer er war. Alle wussten das. Und obwohl sie nur kurze Zeit Mitglied des Ordens gewesen war, wusste sie wahrscheinlich mehr über ihn als die meisten Menschen in Tobyn-Ser, die keine Magier waren. Sie wusste von seinem Verrat, von seinem Bündnis mit den Fremden und wie nahe er daran gewesen war, andere im Orden für seine eigenen Verbrechen verurteilen zu lassen. Und sie wusste, dass er sich am ersten Tag als unbehauster Magier Theron und Phelan widersetzt und beinahe die lebenden Magier getötet hätte, die gegen die Fremden kämpften. Aus diesem Grund hatte man ihn von den anderen isoliert. Theron selbst hatte sie angewiesen, niemals auch nur an Sartol zu denken.
    »Was mich angeht«, hatte der Eulenmeister erklärt, »existiert er nicht. Soll er die Ewigkeit doch vollkommen allein verbringen. Er hat sich das im Leben und im Tod verdient.« Nun allerdings hatte sich etwas verändert. Denn sie dachten alle an ihn. Alle riefen immer wieder seinen Namen, bis er in Rhonwens Schädel widerzuhallen schien wie Donner in einem Bergpass.
    »Genug!«, brüllte Theron schließlich, und seine Stimme brach über sie herein wie eine Welle und brachte alle zum Schweigen.
    »Kannst du uns sagen, was geschehen ist, Eulenmeister?« Das war Phelans Stimme, selbst jetzt tief und ruhig.
    »Der Verräter hat sich vom Fluch befreit. Er wandert wieder im Land umher.«
    »Wie ist das möglich?«, riefen mehrere gleichzeitig wie ein Chor aus einer von Cearbhalls Tragödien.
    »Ich kann es nicht erklären«, knurrte Theron. »Zumindest jetzt noch nicht. Irgendwie benutzt er den Körper und den Ceryll einer lebenden Magierin. Er hat seinen Bindungsort verlassen und ist auf dem Weg nach Amarid.«
    »Der Rufstein.« Rhonwen wusste nicht, dass sie den anderen gestattet hatte, ihren Gedanken zu hören, bis Theron sie ansprach.
    »Ja, Magierin. Das denke ich auch. Der Rufstein hat ihm schon einmal beinahe gehört. Er glaubt wahrscheinlich, dass er ihn immer noch beherrschen kann.«
    »Können wir ihn aufhalten?«, fragte Phelan.
    Theron antwortete nicht, und lange Zeit herrschte vollkommenes Schweigen in Rhonwens Geist. Sie konnte sich nicht erinnern, wann das letzte Mal so etwas geschehen war. Sie spürte, dass die anderen ebenso warteten wie sie selbst und sich fragten, was Theron wohl unternehmen würde.
    »Ich habe seinen Bindungsort gesehen«, verkündete der Eulenmeister schließlich. »Ich begreife, was er getan hat.« »Und?«, fragte Phelan.
    »Wir können überhaupt nichts tun.«
    Chaos. Verzweiflungsschreie. Ein Hagel von Fragen ging auf Theron nieder.
    »Er hat den Fluch selbst nicht verändert«, sagte Theron und brachte sie damit wieder zum Schweigen. »Er hat nur einen Weg gefunden, die Macht zu nutzen, über die er verfügt.« Er hielt inne, dann sagte er: »Ich werde es euch zeigen.« Einen Augenblick später drang ein Bild in Rhonwens Geist ein, und sie begriff es sofort. Es war eine brillante Idee, wenn auch vollkommen gnadenlos und so widerwärtig, dass es kaum zu ertragen war. Das Bild, das Theron schickte, stammte von einem abgelegenen Ort auf der Nordebene - der Stelle, an der Sartol sich an seinen ersten Vogel gebunden hatte. Nur, dass dort nicht mehr der Geist des Eulenmeisters zu sehen war, wie es sein sollte, sondern lediglich sein geisterhafter Stab, der im Boden steckte. Und aus dem Ceryll oben auf dem Holz floss Licht wie Blut, lief den Stab entlang in den fruchtbaren, dunklen Boden und von dort

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