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Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn

Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn

Titel: Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David B. Coe
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Rufstein allein.«

7
     
    I ch bin nun schon seit einiger Zeit der Ansicht, dass wir uns hier in Tobyn-Ser die falsche Frage gestellt haben. »Wer ist unser Feind?«, scheint mir nicht das zu sein, was uns beunruhigen sollte. Indem die Götter uns zwei Adler geschickt haben, haben sie uns deutlich gemacht, dass wir es mit einem Furcht erregenden Feind zu tun bekommen. Und im Augenblick ist das alles, was wir wissen müssen. Die Frage, die mich viel mehr beschäftigt, lautet: »Werden wir reagieren können, wenn wir endlich wissen, gegen wen wir kämpfen müssen?«
    Gehen wir einmal einen Augenblick davon aus, dass wir es nicht mit den Kindern der Götter oder mit der Liga zu tun bekommen. Das bedeutet, dass wir die Feindseligkeiten, die uns so lange gespalten haben, beiseite schieben müssen. Wie ich schon in meinen vorigen Briefen erklärte, ist unsere Gesellschaft von kleinlichen Eifersüchteleien und alter Feindseligkeit so zerrissen, dass es nicht über Nacht heilen wird. Du wirst mir zweifellos sagen, dass eine Zeit der Krise dazu beitragen kann, dass wir unsere Differenzen beiseite schieben und uns wieder vereinen. Ich möchte verzweifelt gern glauben, dass dies der Wahrheit entspricht. Aber ich habe meine Zweifel, und ich fürchte den Tag, an dem unsere Fähigkeit zu Vertrauen und Vergebung schließlich auf die Probe gestellt werden wird.
    Falkenmagier Orris an Melyor i Lakin, Herrscherin und Steinträgerin von Bragor-Nal, im Frühling des Gottesjahres 4633
     
    Wäre es Radomil gewesen, dann hätte Sartol ihn sofort getötet. Selbst ohne genau zu wissen, wie sehr der Rufstein seine Macht vergrößern würde, hätte er keinen Zweifel daran gehabt, dass er diesen fetten alten Mann besiegen konnte. Aber Jaryd und Alayna waren etwas anderes. Er war Alaynas Lehrer gewesen; er hatte besser als jeder andere gewusst, wie stark sie werden würde. Und er erinnerte sich immer noch, als wäre es gestern gewesen, wie Jaryd vor all diesen Jahren, damals kaum mehr als ein Welpe und noch nicht an seine Macht gewöhnt, ihn unglaublicherweise davon abgehalten hatte, Baden in der Großen Halle zu töten. Diese beiden in der Wohnung des Weisen zu sehen, Jaryd mit seinem Adler - ein Adler! - und Alayna mit einer Eule, die Huvan so ähnlich war, Sartols letztem Vogel, hatte ihm beinahe den Atem geraubt. Also hatte der Eulenmeister gezögert. Er wusste, dass etwas geschehen war, noch bevor er in Tammens Körper eingedrungen war, denn er hatte die blinkenden Cerylle bemerkt. Aber das hätte er nie erwartet. Wie denn auch? Es kam ihm beinahe so vor, als hätten die Götter selbst Jaryd und Alayna diese neuen Vögel als Bestätigung ihrer ruhmreichen Zukunft gegeben, auf die sie schon mit den ersten Vertrauten der beiden, Amarids Falken, hingewiesen hatten.
    Also hatte er es nicht gewagt, sich ihnen direkt zu stellen, sondern über Allianzen und Politik gesprochen und dann um ihre Erlaubnis gebeten, seinen kleinen Rundgang im Versammlungssaal zu machen. Er wusste, dass sie ihn von der Tür aus beobachteten und sich fragten, wer diese Tammen war und was sie wirklich wollte. Also hatte er sich sorgfältig vom Rufstein fern gehalten und war nur nahe genug herangegangen, um sehen zu können, ob der Stein überhaupt auf seine Anwesenheit reagierte, aber nicht so nahe, dass diese Reaktion auffällig gewesen wäre. Und erst in dem Augenblick, als er an dem massiven Kristall vorbeigekommen war, hatte er gewusst, was er tun musste. Denn als er sich dem Stein näherte, hatte er etwas bemerkt: das schwache, kurze Aufflackern einer hellgelben Flamme, nicht mehr als das Flackern einer Kerze im trüben silbergrauen Morgenlicht.
    Es hatte genügt. Er war immer noch mit dem Stein verbunden; er würde allerdings mehr von seiner Macht hineinfließen lassen müssen, bevor die Verbindung stark genug sein würde, dass er den Stein vollkommen beherrschte. Er würde Zeit brauchen, wenn auch nicht viel - Zeit, in der er aus nächster Nähe auf den Stein einwirken konnte. Dann würde er innerhalb einer einzigen Stunde mächtiger sein als jeder andere Magier, der sich ihm widersetzen könnte, vielleicht auch mächtiger als mehrere von ihnen. Innerhalb eines einziges Tages würde er stark genug sein, um sich gegen sämtliche Magier in Tobyn-Ser zu stellen. Und danach würde er ernsthaft mit seiner Arbeit beginnen. Nichts würde ihn aufhalten können, und die Rache, von der er so lange geträumt hatte, wäre sein. Zu Lebzeiten hatte man ihn gedemütigt, nach

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