Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn
als Sartol starb. Also nehme ich an, dass diese Worte eher auf Unwissenheit als auf Dummheit zurückzuführen sind.«
Die junge Frau wurde rot, aber Alayna sprach ungerührt weiter. »Sartol war mein Lehrer. Ich habe ihn fast mein ganzes Leben lang gekannt. Ich habe gesehen, was er mit Jessamyn und Peredur gemacht hat, ich habe gesehen, was die Männer, mit denen er sich verbündet hat, in Wasserbogen getan haben, und heute habe ich gesehen, was er einer Magierin namens Tammen angetan hat, die dieses Schicksal bestimmt nicht verdient hat. Er ist grausamer und gnadenloser als jeder andere Mensch, den dieses Land je hervorgebracht hat. Und nun, da er Zugang zum Rufstein hat, ist er vielleicht der mächtigste Magier in der Geschichte von Tobyn-Ser. Die Magier der Liga wissen von Sartol, selbst wenn du und Tramys ihn nicht kanntet. Und ganz gleich, was sie vom Orden halten - wenn sie hören, dass Sartol zurückgekehrt ist, werden sie begreifen, dass die einzige Hoffnung für Tobyn-Ser darin besteht, dass wir zusammenarbeiten. Also würde ich mich an deiner Stelle, statt nach Gründen des Misstrauens gegen die Liga zu suchen, an die Idee gewöhnen, dass sie in diesem Krieg unsere Verbündeten sein werden.« Alayna sah alle anderen nacheinander an, als wollte sie die Ordensmitglieder herausfordern, sich gegen Jaryds Vorschlag auszusprechen. »Unser Adlerweiser hat vorgeschlagen, dass wir zur Halle der Liga gehen. Ich würde sagen, machen wir uns auf den Weg.« Sie ergriff Jaryds Hand und ging in Richtung der Ligahalle. Ohne ein weiteres Wort des Widerspruchs folgten ihnen die anderen Magier des Ordens.
Als sie durch die Straßen von Amarid gingen, blieben die Bewohner der Stadt stehen, zeigten auf sie und flüsterten miteinander. Es hatten sich noch keine Gerüchte über Sartols Wiedererscheinen ausgebreitet, aber dieser Marsch durch die Straßen rief andere Empfindungen hervor. »Sie ziehen in den Krieg!«, hörte Baden jemanden sagen. Ein anderer meinte: »Sie werden gegen die Liga kämpfen!«
Jaryd hatte das offenbar auch gehört, denn er blieb stehen, hob die Hand und bedeutete den anderen ebenfalls stehen zu bleiben.
»Es ist vielleicht nicht klug, wenn wir alle vor ihrer Halle auftauchen«, sagte er. »Es wäre mir lieber, keinen Anlass zu einem Missverständnis zu geben. Alayna und ich gehen weiter, zusammen mit Orris, Baden, Sonel und Trahn. Radomil«, sagte er zu dem bärtigen Eulenmeister, »bring bitte die anderen zum Stadtrat und sprich mit den Ältesten darüber, ob sie einen Versammlungsort für uns finden können. Die Große Halle können wir im Augenblick nicht benutzen, und ich hätte gern einen Platz, an dem sich der Orden hinter verschlossenen Türen treffen kann.«
Radomil nickte. »Selbstverständlich, Adlerweiser.« Dann zögerte er. »Womit soll ich diese Anfrage erklären?«
Jaryd presste die Lippen zusammen und rieb sich die Stirn. »Sag ihnen die Wahrheit«, meinte er schließlich. »Nach dem, was Sartol mit der Halle gemacht hat, wäre es sinnlos, sie zu belügen.«
»Also gut.« Radomil lächelte. »Mach dir keine Gedanken, Jaryd. Sie werden uns anhören. Es bleibt ihnen nicht viel anderes übrig.«
Die kleine Delegation stand inmitten der Straße und sah zu, wie der rundliche Magier ihre Kollegen davonführte. Dann gingen sie, abermals gefuhrt von Jaryd, weiter bis zur Halle der Liga und klopften an die großen Holztore des Gebäudes.
Es dauerte einige Zeit, bis jemand reagierte, aber gerade, als Jaryd die Hand zum zweiten Mal hob, um zu klopfen, ging die Tür auf und eine junge Frau in einem langen grauen Gewand spähte hinaus.
»Es tut mir Leid«, sagte sie. »Das Konklave hat bereits begonnen, aber ...« Dann schwieg sie und starrte sie ungläubig an.
»Wir müssen mit den Ligamagiern von Amarid sprechen«, sagte Jaryd. »Richte bitte Adlermeisterin Cailin und dem Ersten Meister Erland aus, dass Adlerweiser Jaryd, die Erste des Weisen Alayna und eine kleine Gruppe von Vertretern des Ordens hier sind.«
»Ah - aber sie sind im Konklave. Sie dürfen nicht gestört werden.«
»Ich denke, in diesem Fall werden sie es verstehen.«
»Aber sie -«
»Wenn du jetzt noch einmal sagst, dass sie im Konklave sind«, erklärte Orris und trat vor, »dann werde ich diese Halle Stein um Stein auseinander nehmen. Und glaub mir, das wirst du Cailin und Erland erheblich schwerer erklären können als eine einfache Unterbrechung.« Er starrte sie wütend an. »Habe ich mich verständlich
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