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Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn

Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn

Titel: Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David B. Coe
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»Warum bist du dann noch nicht in einer Bande, Maus?«, fragte die Herrscherin und spielte zerstreut mit dem abgegriffenen Dolch, den Jibb ihr gegeben hatte.
    »Ich weiß nicht«, erwiderte Maus abermals schulterzuckend. »Ich bin wahrscheinlich nicht gut genug.« Melyor lächelte nachlässig, und dann packte sie mit einer so fließenden Bewegung, dass Maus beinahe keine Zeit blieb zu reagieren, den Dolch an der Klinge und warf ihn nach der Frau.
    Und genau wie sie erwartet hatte, warf sich Maus zu Boden, während die Klinge über ihren Kopf hinwegsauste. Die Frau rollte sich ab und kam wieder auf die Beine, wobei sie nach dem Werfer griff. Oder genauer gesagt an die Stelle, wo der Werfer hätte sein sollen. Melyor hielt die Waffe bereits in der Hand, den verkratzten Lauf auf das Herz der Frau gerichtet.
    »Immer mit der Ruhe, Maus«, sagte sie. »Tu jetzt nichts Dummes.«
    »Ich?«, sagte die Frau mit blitzenden Augen. »Du bist diejenige, die gerade versucht hat, mich umzubringen!« »Ich habe nicht versucht, dich umzubringen. Ich habe nur beweisen wollen, was ich bereits angenommen hatte. Du lügst. Keine Unabhängige, die sich bewegt wie du, sollte Schwierigkeiten haben, in eine Bande einzutreten. Es sei denn, sie will unabhängig bleiben. Vielleicht um ein Geheimnis besser verbergen zu können?«
    Maus wandte den Blick ab. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst.«
    »Hör doch auf! Ich bin sicher, dass du im Lauf der Jahre viele hinters Licht geführt hast, und du wirst es sicher noch mit vielen anderen tun. Aber nicht mit mir. Ganz bestimmt nicht. Wir sind einander zu ähnlich.«
    Die Frau schnaubte ungläubig.
    »Wie glaubst du denn, dass ich selbst angefangen habe, Maus? Denk doch einen Augenblick nach. Ich wusste, seit ich ein kleines Mädchen war, dass ich Gildriitin bin, und ich habe mein Leben in den Blocks mit fünfzehn begonnen.
    Ich war einmal wie du. Kannst du dir das wirklich nicht vorstellen?«
    Maus starrte sie lange schweigend an. Melyor sah, dass in der Frau ein Kampf tobte, und sie verstand das. Wie Maus hatte auch sie Jahre damit verbracht, ihre Herkunft vor jedem zu verbergen. Es hatte sie viel gekostet, ihr Geheimnis auch nur Jibb anzuvertrauen, dem sie schon Jahre zuvor ihr Leben anvertraut hatte. Was sie nun von Maus verlangte, war noch viel schwieriger.
    »Ich dachte, du wärst anders«, sagte die Frau schließlich. »Ich dachte, du würdest dich nicht mit dem Netzwerk anlegen. Sie sagen alle: »Sie ist Gildriitin. Sie verändert die Dinge.« »Ich bin anders. Ich bin nicht nur Gildriitin«, sagte Melyor und zeigte auf den Stab, der neben dem Bett an der Wand lehnte, »ich bin Steinträgerin.«
    »Warum tust du mir das dann an?«
    »Ich tue dir gar nichts an, Maus. Ich habe die Frage, die ich zuvor gestellt habe, ehrlich gemeint. Ich brauche die Hilfe des Netzwerks, und ich muss mit jemandem sprechen, der mich mit ihm in Verbindung bringt.« Sie zuckte die Achseln. »Du warst nur zufällig diejenige, die Jibb gefunden hat.«
    »Was für ein Glück für mich.«
    Melyor grinste. »Was für ein Glück für dich.« Wieder zeigte sie auf den Sessel. »Möchtest du dich nicht hinsetzen?« Maus warf einen Blick auf den Sessel und schnalzte mit der Zunge. Endlich ließ sie sich mit einem langen Seufzer nieder, verdrehte leicht die Augen und ließ ein Bein über die Armlehne baumeln. Melyor musste sich zusammennehmen, um nicht laut zu lachen; es war, als betrachtete sie ein Spiegelbild ihrer selbst.
    »Warum musst du nach Stib-Nal?«
    Melyor wäre beinahe darauf hereingefallen. Das war eine unverschämte Frage - eine, die diese Frau, die kaum mehr als ein Mädchen war, nicht hätte stellen dürfen. Und beinahe hätte die Herrscherin ihr das gesagt. Aber sie war sicher, dass Maus genau das von ihr erwartete. Die Gesetzesbrecherin suchte nach Gründen, ihr nicht zu helfen oder ihre Fragen nicht zu beantworten. Melyor würde ihr keinen Grund geben.
    »Der Herrscher von Stib-Nal hat schon mehrmals versucht, mich umbringen zu lassen.« Sie wies auf ihr verbundenes Bein. »Das hier ist ein Ergebnis des letzten Attentatsversuchs. Ich bin dieser Angelegenheit müde, also will ich nach Stib-Nal gehen, um ihn zu erledigen.«
    Melyor hatte erwartet, dass die Frau sie wegen dieser Offenheit mit weit aufgerissenen Augen anstarren würde, aber Maus ließ sich kaum etwas anmerken.
    »Klingt gefährlich. Bist du sicher, dass du es schaffen kannst?«
    Nun lachte Melyor wirklich. »Du hörst dich beinahe wie Jibb an.

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