Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn
behandeln die Gildriiten mich weiterhin, als wäre ich ihre Feindin. Ich bin sehr verwirrt über ihr Verhalten. Aber vor allem kränkt es mich.
Melyor i Lakin, Herrscherin und Steinträgerin von Bragor-Nal, an Falkenmagier Orris, Tag 6, Woche 12, Winter 3067
Melyor schlief mehrere Tage beinahe ununterbrochen. Man weckte sie alle paar Stunden, um ihr weitere Schmerzmittel zu geben, und dann sank sie wieder in die Bewusstlosigkeit zurück. Sie war sich nur vage bestimmter Dinge bewusst: In ihrem rechten Oberschenkel wühlte ein dumpfer Schmerz, Jibb wachte an ihrer Seite, Ärzte kamen und gingen. Aus dem, was sie Jibbs Gesprächen mit den Ärzten entnahm, schloss sie, dass ihre Wunde tief war, wenn auch nicht allzu ernst. Sie hatte in dieser Zeit eine ganze Anzahl lebhafter Träume, die sich überwiegend um das Feuergefecht drehten, das sie gerade hinter sich hatte. Aber sie träumte auch davon, Marar zu töten, und in einem besonders klaren Traum sah sie, wie Orris zu ihr kam und ihr die Hände auf das Bein legte, um sie zu heilen.
Als sie schließlich erwachte, war es dunkel. Jibb war selbstverständlich da, saß am Fußende des Bettes und sah sie besorgt an.
»Ich habe mich schon gefragt, ob du jemals aufwachen würdest«, sagte er und lächelte sie so erleichtert an, dass sie errötete.
»Wie lange war ich bewusstlos?«
»Drei Tage. Sie mussten deinen Knochen schienen«, fügte er hinzu, »und du hattest viel Blut verloren.«
»Drei Tage«, murmelte sie. Sie schüttelte den Kopf und stellte fest, dass ihr davon schwindlig wurde. »Hast du von Wiercia gehört?«, sagte sie und schloss die Augen wieder.
»Nein.«
»Was ist mit Marar? Hat er versucht, sich mit jemandem im Palast in Verbindung zu setzen?«
»Nicht dass wir wüssten.« Er nahm ihre Hand. »Du solltest dir um diese Dinge keine Gedanken machen. Noch nicht. Ruh dich lieber noch aus.«
»Ausruhen?«, sagte sie und riss die Augen wieder auf. »Ich habe drei Tage verloren. Wir wissen nicht, was er jetzt plant! Es ist durchaus möglich, dass er bereits andere rekrutiert hat, die den Platz meines Fahrers und den von Premel einnehmen sollen.« Sie setzte sich auf und sah sich um, wobei sie gegen eine weitere Welle von Schwindel ankämpfen musste. »Wo steckt Premel überhaupt?«
Seine Miene wurde mürrisch. »Ich habe ihn noch nicht ins Gefängnis gesteckt, wenn es das ist, was du wissen wolltest.«
»Tatsächlich habe ich mich schon gefragt, ob du ihn getötet hast.«
Er lachte leise. »Nein, das auch nicht.«
»Hast du mit Vian gesprochen?«
Jibb wurde bleich. »Ja.«
»Warum hat er das getan? Wer war Selim?«
Der Sicherheitsmann schluckte. Er sah aus, als würde ihm gleich übel werden. »Selim i Vitor«, sagte er schließlich. »Ein Gesetzesbrecher, den ich im vergangenen Jahr bei einem Scharmützel im Achtzehnten Bezirk getötet habe. Offenbar waren Selim und Vian Halbbrüder. Dieselbe Mutter, andere Väter.«
»Deshalb haben wir es nicht erfahren«, setzte Melyor den Gedankengang fort. »Sie haben unterschiedliche Nachnamen.«
Er nickte, aber er schwieg und starrte auf seine Hände. Sie sah ihm an, wie zornig er auf sich selbst war, und legte ihm die Hand auf den Arm. »Es ist nicht deine Schuld, Jibb. Ich war diejenige, die ihm vertraut hat.« »Er sagt, es kam ihm nicht einmal darauf an, dich zu töten. Er wollte mich umbringen. Aber das hat schon gereicht, dass du beinahe umgebracht wurdest.«
»Du konntest es nicht wissen. Niemand hätte es wissen können.«
Er holte tief Luft und warf ihr einen kurzen Blick zu. Dann nickte er.
Es klopfte an der Tür, und einer der Ärzte kam herein. »Du bist aufgewacht!«, sagte er, ein Lächeln auf dem kantigen Gesicht. »Hervorragend.«
Er setzte sich neben sie und entfernte vorsichtig den Verband vom Bein, was eine hässliche Wunde zum Vorschein brachte.
Melyor schluckte und wandte den Blick ab.
»Wenn du glaubst, dass das schlimm aussieht, Herrscherin«, sagte der Arzt, »dann hättest du es vor ein paar Tagen sehen sollen.«
»Wann werde ich wieder laufen können?«, fragte sie und starrte, während er den Verband wechselte, die Wand neben dem Bett an.
»Ich werde dir morgen oder übermorgen Gehhilfen bringen. Es wird eine Weile dauern, bis du wieder durch die Tunnel rennst.«
»Was meinst du mit >eine Weile«
Er hielt mit dem Verbinden inne und holte tief Luft. »Ich würde sagen, in etwa vier Wochen kannst du wieder ohne Hilfsmittel gehen«, erwiderte er schließlich und
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