Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn
können.
»Mach dir wegen mir keine Gedanken, Maus«, sagte die Herrscherin schließlich. »Du hast versprochen, mir zu helfen, und ich habe vor, dich beim Wort zu nehmen, selbst wenn ich dir dazu einen Werfer in den Rücken drücken muss.«
Maus lachte. »Ja, genau, als ob du -«
Bevor sie zu Ende gesprochen hatte, hatte Melyor die Krücken hochgerissen und schwang sie gleichzeitig auf die Frau zu, so dass eine Maus an der rechten Schläfe traf, die andere die Seite ihres linken Knies. Die Kombination von Schlägen riss die Frau seitlich von den Beinen. Sie prallte auf dem Boden auf und blieb einen Augenblick liegen, zu betäubt, um sich zu bewegen. Und als sie im Stande war, sich auf den Rücken zu drehen und zur Herrscherin aufzublicken, beugte sich Melyor bereits über sie und hatte ihr das Ende einer Krücke gegen die Kehle gepresst. Sie war nicht einmal außer Atem. Jibb und die anderen Männer grinsten, aber Melyors Miene war todernst.
»Selbst mit dieser Verletzung«, sagte sie, »bin ich schneller als du, ich bin stärker als du, und ich bin jeden Augenblick im Stande, dich umzubringen. Vergiss das nicht. Und wage nicht, über mich zu lachen. Hast du das verstanden?«
Maus starrte sie lange Zeit an, ohne zu reagieren. Schließlich nickte sie, ohne Melyor dabei aus den Augen zu lassen. »Gut«, sagte die Herrscherin. Sie nahm die Krücke von Maus' Kehle, hielt sie aber weiter in Reichweite der Frau.
Einen Augenblick später griff Maus nach der Krücke und zog sich daran auf die Beine. An ihrer Schläfe bildete sich bereits ein blauer Fleck.
Melyor wandte sich an Jibb. »Kannst du mir bitte meinen Stab geben, General?«
»Selbstverständlich«, sagte er und holte ihn aus dem Transporter. Er brachte ihn zu Melyor, aber da sie beide Hände voll hatte, zögerte er. »Soll ich ihn für dich tragen?«, fragte er schließlich.
»Nein. Warum gibst du ihn nicht Maus? Es scheint mir nur angemessen, dass eine Gildriitin den Stein tragen soll.« Er warf ihr einen zweifelnden Blick zu, aber sie nickte. »Du hast doch nichts dagegen, oder, Maus?«, fragte sie die Frau.
Maus schaute von Melyor zu Jibb. »Nein.« Sie schwieg und wandte den Blick ab. »Tatsächlich«, fügte sie verlegen hinzu, »wäre es mir eine Ehre.«
Wieder sah Melyor Jibb an und nickte ein zweites Mal. Der General schüttelte den Kopf, sein Stirnrunzeln wurde noch heftiger, aber er tat, was sie ihm gesagt hatte, und reichte Maus den Stab mit dem leuchtend roten Kristall.
»Pass gut darauf auf, Maus«, sagte die Herrscherin vergnügt. »Er ist der Einzige, den ich habe.«
Maus lächelte. »Jawohl, Herrscherin«, antwortete sie, was nun wiederum Melyor zum Lächeln brachte. »Danke.« »Gehen wir«, sagte Melyor zu Jibb. »Ich möchte vor Einbruch der Dunkelheit noch ein Stück weiterkommen.« »Ihr habt es gehört«, sagte Jibb zu seinen Männern. »Rucksäcke schultern. Wir gehen.«
Der General hatte Premel nicht angesprochen. Das tat er dieser Tage selten. Aber Premel wusste, dass er das Gleiche tun sollte wie die anderen sechs Gardisten, also ging er mit ihnen zum Transporter und lud sich einen der Rucksäcke auf. Es waren nur acht - offensichtlich erwartete niemand von Melyor, dass sie ebenfalls einen trug, und sie hatte deutlich gemacht, dass auch Maus keinen tragen würde. »Sie führt uns nach Stib-Nal«, erklärte Melyor. »Sie tut uns einen Gefallen. Und die Vorräte sollten für uns alle reichen, selbst wenn wir einen Tag länger brauchen.«
Wieder einmal wirkte Jibb unzufrieden. Er traute dieser Frau nicht, und das führte dazu, dass auch Premel ihr misstraute. Aber Melyor schien nicht an ihr zu zweifeln. Tatsächlich schien die Herrscherin trotz ihres Streits und der harschen Warnung, die sie der Gildriitin gegeben hatte, dankbar für Maus' Gesellschaft. Die ersten ein oder zwei Stunden gingen sie nebeneinanderher, ein wenig hinter den Männern - obwohl Jibb in ihrer Nähe blieb - und unterhielten sich. Nach dem, was Premel von ihrem Gespräch verstand, schien es, als stellte Melyor der Frau eine Frage nach der anderen, und nachdem Maus zunächst nur zögernd geantwortet hatte, wurde sie immer gesprächiger. Nach einiger Zeit strengte das Gehen auf dem weichen, unebenen Boden Melyor allerdings immer mehr an. Sie schwieg, und obwohl sie weiter mit den anderen Schritt hielt, wirkte sie ziemlich erschöpft. Ihr Gesicht war schweißüberströmt, ihre Kleidung feucht.
Die Sorge stand Jibb deutlich ins Gesicht geschrieben, und er
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