Die Chroniken von Araluen - Der Krieger der Nacht: Band 5 (German Edition)
hörte ein Rascheln, dann rief Alyss ihm zu: »Du kannst wieder hersehen.« Sie klang leicht amüsiert über seine Verlegenheit.
Alyss hatte ein langes weißes Reitkleid übergezogen. Der Umhang, die Tunika und der Messergürtel lagen in einem Bündel zu ihren Füßen. Die Vier-Mann-Eskorte hatte sie inzwischen beinahe erreicht. Hinter dem Busch hervor gab Alyss ihnen ein Zeichen, dann drehte sie sich um und winkte Will zu, ein verschwörerisches Lächeln auf dem Gesicht.
»Wir sehen uns dann auf der Burg wieder«, sagte sie. Gleich darauf war die Eskorte auf ihrer Höhe angelangt. Die Pferde schienen zu scheuen, doch Will erkannte, dass dies eine genau vorbereitete Szene war, damit sie ein Stück vom Weg abkommen und Alyss wieder einwechseln konnten. Einer der Männer löste eine Schlaufe, und die Puppe rutschte seitlich aus dem Sattel. Bevor sie zu Boden fiel, hatte sich Alyss auch schon in den Sattel geschwungen. Ein anderes Mitglied der Eskorte beugte sich schnell vor, um die Puppe aufzufangen, und innerhalb von wenigen Sekunden ritt die Gruppe bereits wieder weiter. Die Puppe war zusammengefaltet und nicht mehr zu sehen.
Will schaute ihnen nach und wartete regungslos ab. Er konnte den Tross immer noch sehen, als Reißers Ohren zuckten und die Hündin ein leises Knurren hören ließ.
»Psst«, flüsterte Will, ohne den Kopf zu drehen. Da kamen die beiden Männer auch schon, spähten vorsichtig um die Kurve, ob sie nicht zu dicht auf die Eskorte aufgeschlossen hatten. Will blieb unbeweglich stehen, während sie an ihm vorbeiritten. Er gab noch ein paar Minuten dazu, dann verließ er den Wald in Richtung Süden, um den Taubenzüchter aufzusuchen.
A n einem der nächsten Abende spielte Will in der Unterkunft der Soldaten.
Das war normaler Brauch für Musikanten, nacheinander an verschiedenen Orten zu spielen. Andernfalls würde das Publikum sich bald langweilen, wenn er jeden Abend in der großen Halle spielen würde. Und die Soldaten einer abgelegenen Burg wie Macindaw waren oft genug sehr spendabel. Sie hatten nicht viele Gelegenheiten, ihr Geld auszugeben. Also war damit zu rechnen, dass er gut verdiente, wenn ihnen seine Musik gefiel.
Denn die Hauptentlohnung in der Burg bestand in Unterkunft und Essen. Um noch etwas zusätzlich zu verdienen, musste er vor den Soldaten oder im Wirtshaus spielen.
Aber Will hatte auch noch einen anderen Grund. Er wollte die Männer dazu bringen zu reden, wollte den Klatsch und die Gerüchte über den unheimlichen Wald von Grimsdell hören. Und nichts löste die Zungen mehr als ein bisschen Wein und Musik.
Inzwischen war er den Bewohnern der Burg vertraut und die Leute würden sich ihm eher öffnen. Außerdem
fühlten sich die Soldaten sicherer als das Landvolk, das abends noch aus dem Wirtshaus zu ungeschützten Hütten und Bauernhöfen nach Hause laufen musste. Die Männer hier waren gut bewaffnet und hinter den festen Mauern einer Burg in Sicherheit. Daher würden ihre Zungen wohl auch leichter zu lösen sein.
Er wurde begeistert empfangen, umso mehr, als er einen großen Krug Apfelbranntwein mitbrachte. Seine volkstümlichen Lieder waren genau das, was dieses Publikum hören wollte. Der Abend war ein Erfolg und in seinem Verlauf wanderten immer mehr Münzen in den Instrumentenkasten.
Schließlich waren außer Will nur noch etwa ein halbes Dutzend Männer übrig, die mit Weinkrügen in der Hand um das erlöschende Feuer saßen. Will hatte die Mandola beiseitegelegt. Für heute Abend war es mit dem Gesang vorbei und den Männern war es auch recht so. Will hatte ihnen gute Unterhaltung geboten, und wieder einmal machte er diese erstaunliche Erfahrung, dass er nach einem solchen Auftritt in ihrer Mitte aufgenommen wurde, als hätten sie ihn schon ihr ganzes Leben gekannt.
Sie redeten über das, was gelangweilte Soldaten so beschäftigte. Darüber, dass es in der Gegend nicht genügend Frauen gab, mit denen man sich vergnügen konnte, und über die Langeweile des Lebens in einer abgelegenen Burg, erschwert noch durch den winterlichen Schnee. Es war eine Langeweile, die mit Sorge gemischt war, denn keiner konnte sagen, wann die Skotten sich zu einem Überfall entschlössen, und natürlich war da noch das beunruhigende Geheimnis, das die Krankheit ihres Herrn
umgab. Als die Männer freier redeten, bohrte Will hie und da nach und stellte fest, dass sie nur wenig Respekt für Orman übrig hatten.
»Er ist kein Krieger«, sagte einer von ihnen abfällig. »Ich bezweifle,
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