Die Chroniken von Araluen - Der Krieger der Nacht: Band 5 (German Edition)
wartete nicht ab, sondern öffnete die Tür einen Spalt breit und verkündete: »Der Musikant, Mylord!«
Orman saß hinter seinem Schreibtisch. Will bemerkte, dass die Bücher über Zauberei immer noch dort lagen,
eines war geöffnet, mit einem ledernen Lesezeichen darin. Orman trug seine übliche dunkle Kleidung und saß in dem großen hölzernen Lehnstuhl leicht vornübergebeugt da. Er bewegte sich, als hätte er Schmerzen. Als er sprach, wurde dieser Eindruck noch verstärkt.
»Sehr gut, Hauptmann. Ihr könnt gehen. Wartet bitte draußen.«
Der Soldat schlug die Hacken zusammen und marschierte zur Tür hinaus.
Orman erhob sich mit verzerrtem Gesicht. Will sah, dass er den linken Arm fest an seine Seite drückte. Er kam um den Tisch herum und atmete schwer, als sei diese kurze Entfernung bereits eine enorme Anstrengung für ihn gewesen.
Will ging auf ihn zu. »Lord Orman, ist alles in Ordnung?« , fragte er.
Orman hob schwach die Hand. »Nein, wie Ihr ja wohl sehen könnt. Nichts ist in Ordnung. Aber da kann man nicht viel tun.«
»Seid Ihr verwundet? Soll ich nach Eurem Arzt schicken?«
Orman schüttelte den Kopf und ließ ein heiseres Lachen hören. »Ich bezweifle, dass es irgendwelche Heiler in dieser Burg gibt, die mir helfen könnten. Nein, ich brauche Hilfe anderer Art.« Er machte eine Pause und sah Will durchdringend an. »Ich brauche die Art von Hilfe, die ich von einem Waldläufer bekäme.«
E inen Augenblick lang herrschte Stille im Raum. Will war sprachlos. Das war das Letzte, was er von Orman erwartet hatte. Er fasste sich, wohl wissend, dass er das schneller hätte tun müssen. Trotzdem beschloss er, sich herauszureden.
»Einem Waldläufer, Lord Orman? Wie kommt Ihr nur darauf, dass ich irgendetwas über Waldläufer wissen könnte? Ich bin nur ein einfacher Musikant.« Er hob entschuldigend die Hände. »Und wie Ihr selbst einige Male bemerktet, ein ziemlich schlechter noch dazu.«
Orman winkte ab und ließ sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf einen Stuhl vor seinem Tisch sinken.
»Hört mit dem Getue auf. Ich habe nicht die Kraft für Wortgeplänkel. Ich brauche Hilfe, und zwar schnell. Sie haben mich schließlich doch noch erwischt, genau wie meinen Vater. Wir Ihr sehen könnt, bin ich krank, und bald werde ich das Bewusstsein verlieren, und dann gibt es nichts, was sie mehr aufhalten kann.«
»Sie?«, fragte Will. »Wer sind sie?«
Orman stöhnte wieder und krümmte sich unter einem neuen Anfall.
Will sah, wie sich Schweiß auf der Stirn des Mannes bildete – er war offensichtlich in sehr schlechter Verfassung.
»Keren und seine Leute!«, stieß Orman hervor. »Wer denn sonst, zum Teufel noch mal? Keren ist derjenige, der hinter der Krankheit meines Vaters steckt. Er ist derjenige, der die Burg übernehmen will!«
»Keren?«, wiederholte Will. »Aber …« Verblüfft suchte er nach Worten.
Orman, dessen Anfall vorüber war, sagte ärgerlich: »Oh, natürlich, er hat Euch für sich eingenommen, so wie alle anderen auch. Ich nehme an, Ihr dachtet, ich wäre es, der hinter der Krankheit meines Vaters steckt?« Er sah Will an und sah die Bestätigung in seinem Blick. »Tja, das denken die meisten. Es ist einfach und bequem, so etwas zu denken, wenn jemand nicht sehr beliebt ist, nicht wahr?«
Es gab nichts, was Will darauf antworten konnte. Wenn er darüber nachdachte, so hatte es sich tatsächlich genau so verhalten. Er mochte Orman nicht, und diese Abneigung hatte ihn zu dem Schluss verleitet, dass dem gegenwärtigen Herrn über Macindaw nicht zu trauen war. Andererseits hatte die offene, freundliche Natur von Sir Keren ihn dazu verführt, den Mann als möglichen Verbündeten zu betrachten. Dennoch hatte er im Augenblick nur Ormans Wort.
»Ihr mögt so manches sein, aber ein Musikant seid Ihr nicht.« Orman hob die Hand, um jeden Einwand zu ersticken. »Ihr habt durchaus Talent, auch wenn Eure Musik nicht nach meinem Geschmack ist. Doch Ihr habt Euch schon bei meiner Befragung verraten.«
»Ich habe mich verraten?« Will dachte an seine Unterhaltung mit Orman kurz vor Alyss’ Ankunft zurück.
»Ich habe Euch nach Eurer Mandola gefragt, wisst Ihr noch? Ich fragte, ob es eine Gilperon sei.«
»Ja«, antwortete Will langsam. Er erinnerte sich, dass er seiner Meinung nach ganz erfolgreich die Tatsache verschleiert hatte, dass er noch nie von diesem Meisterbauer Gilperon gehört hatte. »Ich hatte Euch lediglich nicht gleich verstanden. Wie ich schon sagte, könnte sich ein
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