Die Chroniken von Araluen - Die Belagerung: Band 6 (German Edition)
Will und Horace sie kennengelernt hatten, war sie unter dem Namen Evanlyn gereist. Horace wusste, dass es eine besondere Verbindung zwischen Will und der Prinzessin gab, seit die beiden sich in Skandia in Gefangenschaft befunden hatten. »Ich sehe sie ab und zu«, antwortete er.
Will nickte und ließ sich nicht anmerken, wie er dazu stand. »Unvermeidbar, nehme ich an«, sagte er. »Schließlich bist du auf dem Schloss stationiert. Du triffst sie wohl öfter zufällig, oder?«
»Na ja … nicht nur zufällig«, antwortete Horace vorsichtig. Eigentlich sahen die Prinzessin und er sich bei gesellschaftlichen Anlässen ziemlich häufig, aber er war nicht sicher, ob er darüber mit Will reden wollte. In der Vergangenheit hatte er eine gewisse Spannung zwischen seinem Freund und sich festgestellt, wenn es um Evanlyn ging, und die wollte er jetzt vermeiden. Er bemerkte, dass Will ihn beobachtete, und so fühlte er sich gedrängt, noch etwas hinzuzufügen.
»Na ja, da sind die Empfänge und Aufmärsche und so weiter«, sagte er. Horace erwähnte allerdings nicht, dass er meist von Cassandra als ihr Begleiter zu diesen Anlässen eingeladen war. »Und Picknicks natürlich«, fügte er hinzu und bereute es sofort.
Will hob die Augenbrauen. »Picknicks? Wie nett. Klingt, als sei das Leben auf dem Schloss zur Zeit ein einziges großes Picknick.«
Horace holte tief Luft und beschloss dann, besser gar nicht darauf zu antworten. Er stand auf und rieb sich den Rücken. »Ich glaube, ich werde langsam zu alt für dieses Lagern im Freien bei Wind und Wetter«, sagte er.
Will bemerkte den absichtlichen Themawechsel und sein Benehmen war ihm auf einmal peinlich. Schließlich war es nicht Horace’ Schuld, dass er auf Schloss Araluen stationiert war. Und als ein alter Freund von Evanlyn – oder besser Cassandra – verbrachte er natürlich viel Zeit mit ihr.
»Tut mir leid, Horace«, entschuldigte er sich. »Das hätte ich nicht sagen sollen. Ich bin wohl ein wenig gereizt. Ich hasse dieses Herumsitzen.«
Das stimmte so nicht ganz, denn er war das Warten absolut gewöhnt und es machte ihm nichts aus.
Horace erkannte, dass dies ein Friedensangebot war und grinste seinen Freund an. Damit war dieser unangenehme Augenblick zwischen ihnen auch schon vorbei.
Und natürlich war es genau der Moment, in dem Ambrose, einer von Malcolms Männern, in die Lichtung gelaufen kam. »Waldläufer! Sir Horace! Die Skotten kommen!«, stieß er mit unterdrückter Stimme hervor, sobald er vor ihnen stand.
Insgesamt waren sie zu neunt: MacHaddish und acht Soldaten, die seine Eskorte bildeten.
MacHaddish führte die kleine Truppe an. Er war ein muskulöser, gedrungener Mann – nur wenige Skotten waren hochgewachsen. Sein Kopf war geschoren, abgesehen von einem einzelnen langen, fest geflochtenen Zopf an der linken Seite. Er trug einen Umhang aus rauem, kariertem Wollstoff – eigentlich kaum mehr als eine breite Decke –, der um Schultern und Oberkörper lag, die Arme blieben jedoch nackt, selbst bei diesem eiskalten Wetter. Dazu trug er einen langen Kilt aus dem gleichen Stoff und Schaffellstiefel. Ein Breitschwert hing über seinem Rücken, der Knauf ragte über seinen Kopf hinaus. Die linke Seite seines Gesichts war mit breiten blauen Streifen versehen, die ihn als General des zweiten Dienstgrads auszeichneten. Auf seiner rechten Wange und auf seinen bloßen Armen waren dunklere, dauerhafte Tätowierungen zu sehen.
In der linken Hand trug er einen kleinen, mit Leder überzogenen und Eisennieten besetzten Schild, etwas größer als ein Teller.
Seine Männer waren ähnlich gekleidet, im gleichen rot-blau karierten Wollstoff. Doch die Farbe auf ihrem Gesicht befand sich nur um ihre Augen, wie eine blaue Maske, und wies sie so als einfache Soldaten aus. Zwei von ihnen trugen Schwerter, wenn auch nicht so beeindruckende wie der General. Die anderen hatten Streitkolben, schwer und mit Eisen gespickt, sowie kleine runde Schilde. Und aus ihren Stiefeln ragte der Griff eines langen Dolches.
Der Waldläufer stand reglos in seinen Umhang gehüllt weniger als zwanzig Fuß vom Rand des Weges entfernt, als die Männer im Laufschritt an ihm vorbeikamen. Horace, der sich ein Stück weiter hinten zwischen den Bäumen versteckte, bewunderte, wie sein Freund sich fast unsichtbar machen konnte. Selbst Horace, der genau wusste, wo Will sich befand, fiel es schwer, ihn zu erkennen. Diese Fähigkeit ermöglichte es seinem Freund natürlich, den
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