Die Chroniken von Araluen - Die Belagerung: Band 6 (German Edition)
verrückt gemacht, bis ich sie hereinließ.«
»Ah ja«, sagte Will. Er würde sich mit diesem Thema befassen, wenn er zurück nach Süden reiste. Es würde nicht leicht werden. Energisch schob er den unangenehmen Gedanken beiseite. Er blieb ja noch einige Zeit hier.
»Ich dachte, ich schaue auch mal bei Alyss vorbei, falls Ihr nichts dagegen habt«, sagte er.
Malcolm nickte. »Das ist eine ausgezeichnete Idee. Es wird Zeit, dass sie etwas Gesellschaft bekommt.«
Zwei Tage waren nun seit der Schlacht vergangen. Kerens Männer, die bereits so gut wie geschlagen waren, hatten sich sofort ergeben, als sie vom Tod ihres Anführers erfuhren. Sie waren jetzt im Kerker der Burg eingesperrt.
Alyss hatte weiter unter Schock gestanden. Malcolm sagte, der Grund dafür sei vermutlich die Tatsache, dass der Bann des blauen Steins so unvermittelt unterbrochen worden war. Von einem Augenblick zu nächsten hatte Alyss sich mit erhobenem Schwert wiedergefunden und war kurz davor, einen Mord an ihrem Freund zu begehen. Das sei so ähnlich, wie wenn Schlafwandler plötzlich geweckt würden.
Der Heiler hatte ihr ein Beruhigungsmittel gegeben.
»Schlaf ist die beste Medizin für sie«, sagte er. »Sie hat einen festen Charakter und wird sich schließlich selbst heilen. Aber es wird schneller gehen, wenn sie erholt und stark ist.«
Will lief die Treppe im Bergfried hinauf. Alyss hatte wieder ihr bequemes Gemach im vierten Stock bezogen. Will hatte schon einige Male bei ihr vorbeigeschaut, sie jedoch nicht wecken wollen. Etwas anderes machte ihm noch Gedanken. Im Turm hatte er zu Alyss gesagt, er liebe sie, und ihm war klar geworden, dass er die Wahrheit gesagt hatte. Auf gewisse Weise hatte er sie immer geliebt. Sie war seine älteste und liebste Freundin auf der ganzen Welt. Doch seit sie erwachsen waren, war ein noch stärkeres Band zwischen. Irgendwann hatte sich diese Freundschaft und Kameradschaft in echte Liebe verwandelt.
Zumindest so weit es ihn betraf. Er war nicht sicher, ob sie das Gleiche fühlte.
Keren hatte behauptet, sie würde sich im Nachhinein
an nichts mehr erinnern. Aber Wills Liebeserklärung hatte den Bann gebrochen, und Will vermutete, dass sie sich deshalb vielleicht noch an seine Worte erinnern konnte. Er hatte Malcolm danach gefragt, ohne ihm zu verraten, was genau er zu ihr gesagt hatte.
Malcolm war sehr vage in seiner Antwort geblieben. »Vielleicht erinnert sie sich, vielleicht auch nicht.« Als er die Unzufriedenheit des jungen Mannes sah, fügte er entschuldigend hinzu: »Wir wissen einfach nicht genug darüber, wie der menschliche Geist beschaffen ist. Was für die eine Person zutrifft, kann für die andere völlig falsch sein.«
Wills einzige Möglichkeit war also abzuwarten, ob Alyss die Angelegenheit selbst zur Sprache brachte. Wenn nicht, bedeutete es, dass sie verlegen war und sich unwohl fühlte, weil sie nicht das Gleiche für ihn empfand oder dass seine Worte sie doch nicht so stark beeindruckt hatten und sie ihr nicht in Erinnerung geblieben waren – was für ihn auf das Gleiche hinauslief.
Will hatte die vergangenen fünf Jahre hauptsächlich in Walts Gesellschaft verbracht und er war eigentlich nicht wirklich auf solche Fragen des zwischenmenschlichen Lebens vorbereitet. Jetzt, nachdem er seine tiefen Gefühle für Alyss gestanden hatte, fürchtete er, dass sie diese nicht erwidern könnte – dass sie vielleicht mit dem Satz antworten könnte, der für so viele Beziehungen der Todesstoß war: Können wir nicht einfach Freunde bleiben?
Er sprach darüber unter dem Siegel strengster Vertraulichkeit
mit Horace. Immerhin war er ein Ritter, der sich in den höchsten Kreisen auf Schloss Araluen aufhielt und an weibliche Gesellschaft gewöhnt war.
Der junge Ritter hatte so getan, als sei er überhaupt nicht überrascht, als Will ihm gestand, was er für Alyss empfand.
»Aber natürlich liebst du sie!«, hatte er geantwortet. »Sie war deine beste Freundin, seit ihr beide laufen konntet, und jetzt ist sie zu einer wunderschönen, klugen und talentierten jungen Frau geworden. Wie solltest du sie da nicht lieben?«
Horace’ Lösung für das Problem lag auf der Hand. Sag es ihr einfach , lautete sie . Aber als Ritter bevorzugte er ohnehin immer die direkte Annäherung. Waldläufer hingegen waren eher geneigt, nach kleinen Hinweisen im Benehmen einer Person zu suchen, um ihre wahren Gefühle herauszufinden.
»Du meinst, ihr verstellt euch eher«, sagte Horace und tat die Erklärung
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