Die Chroniken von Araluen - Die Schwertkämpfer von Nihon-Ja
Und ich werde Menschen um mich brauchen, die mutig und einfallsreich und loyal sind.«
»So sollte es sein«, erwiderte Alyss.
»Ehrlich gesagt, hätte ich gern, dass darunter auch Frauen sind. Frauen haben einen anderen Blick auf die Dinge, wie Lady Pauline mir immer wieder gezeigt hat. Ich hätte dich gern in meinem inneren Kreis, Alyss. Ich glaube, dass wir sehr gut zusammenarbeiten könnten.«
Alyss vollführte aus ihrer sitzenden Position heraus eine leichte Verbeugung und zuckte zusammen, als ihre Muskeln schmerzten.
»Ich werde meiner Königin und meinem Land stets gern zu Diensten sein«, sagte sie höflich.
Evanlyn streckte enttäuscht die Hände aus. »Warum musst du immer so förmlich sein, Alyss? Warum kann ich nicht zu dir durchdringen? Ich respektiere dich. Ich bewundere dich. Ich mag dich! Ich möchte deine Freundin sein! Mein Vater hat gezeigt, dass man mit guten Freunden als Ratgebern am besten regieren kann. Walt, Crowley, Baron Arald. Das sind doch nicht nur Ratgeber, sondern enge Freunde. Und Freunde sagen dir, wenn du dich täuschst.«
»War ich je unfreundlich, Eure Hoheit? Ich habe mich immer um Respekt bemüht.« Alyss’ Gesicht war eine Maske, doch auf Evanlyns Wangen tauchten zwei rote Flecken auf.
»Es gab immer eine gewisse Gereiztheit zwischen uns, oder nicht?«, sagte sie ärgerlich. »Vielen Dank auch, Eure Hoheit. War ich je unfreundlich? Ich habe mich immer um Respekt bemüht.« Sie ahmte Alyss’ Worte nach. »Ich biete dir meine Freundschaft an, aber du weist mich zurück. Warum? Sprechen wir uns endlich aus, ein für alle Mal!«
Alyss holte tief Luft. Sie zögerte. Sie war ein ehrgeiziges Mädchen und sie wusste, sie könnte ihre zukünftige Karriere aufs Spiel setzen, wenn sie die Sache zum Äußersten brachte. Doch plötzlich zerbarst der Damm.
»Wir wissen beide, was los ist! Lass einfach die Hände von Will, ja?« Sie sprang auf und blickte auf die kleinere Prinzessin herunter.
Evanlyn antwortete ebenso lautstark. »Will? Was ist mit Will? Was hast du dauernd mit mir und Will?«
»Weil du ihn liebst! Du bist die Prinzessin und du denkst, du kannst alles haben, was du willst, und du willst eben Will. Das sieht doch jeder Narr!«
»Ich fürchte, du bist hier die Närrin, Alyss Mainwaring, denn ich bin nicht in Will verliebt. Ich bin in Horace verliebt.« Evanlyn hatte ihre Stimme bei diesen gewichtigen Worten gesenkt.
»Natürlich bist du es. Du brauchst es gar nicht abzustreiten, du …« Alyss wurde plötzlich klar, was die Prinzessin gerade gesagt hatte … »Du bist was?«, fragte sie. »Ich meine, ich weiß, dass Horace in dich verliebt ist. Aber du …«
»Ich bin auch in ihn verliebt. Sehr sogar. Und nur in ihn. Was glaubst du, warum ich um die halbe Welt gereist bin, um ihm zu helfen? Weil er ein guter Tanzpartner ist? Oh, natürlich mag ich Will, Alyss. Aber ich bin nicht in ihn verliebt. Wir haben so viel zusammen durchgemacht und er war ein wunderbarer Freund und Beschützer. Vor vielen Jahren, als wir aus Skandia zurückkamen, da dachte ich wirklich, ich sei in ihn verliebt. Ich gebe zu, dass ich damals versucht habe, ihn bei mir zu halten. Aber er hat abgelehnt – und das war gut so. Wir sind einfach Freunde, gute Freunde. Damit kannst du doch klarkommen, oder?«
Alyss zögerte. Sie war immer noch nicht ganz sicher.
»Ich weiß nicht …«, begann sie.
Da platzte Evanlyn der Kragen.
»Verflixt und zugenäht, Alyss! Jetzt sag mir, was du für Horace empfindest!«
»Horace?«, fragte Alyss überrascht. »Na ja, wir sind zusammen aufgewachsen. Ich mag ihn natürlich. Er ist wie ein großer Bruder.«
»Genau! Und hat mich das je gestört?«
Alyss lächelte ein wenig. »Na ja, als wir ihn endlich gefunden hatten, hast du mir fast den Arm gebrochen, um ihn von mir loszureißen«, sagte sie, und Evanlyn verdrehte die Augen. »Aber nein … ich glaube nicht, dass dich das gestört hat. Es gäbe auch keinen Grund dafür. Zwischen mir und Horace ist nicht irgendwas in der Art.«
»Aaaahhhhh!«, stöhnte Evanlyn. Alyss wich überrascht zurück. »Das ist doch genau das, was ich dir die ganze Zeit beizubringen versuche! Zwischen mir und Will ist auch nicht irgendwas in der Art ! Verflixt und zugenäht, kapier das endlich!«
Völlig verdattert starrte Alyss die Prinzessin an. Sie war ein ehrlicher Mensch und musste zugeben, dass das, was Evanlyn sagte, vernünftig klang. Alyss hatte sich die vergangenen Monate und auch schon lange davor der Prinzessin
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