Die Chroniken von Araluen - Die Schwertkämpfer von Nihon-Ja
und einen bequemen Stuhl. Bei diesen niedrigen Tischen und Bänken taten nach einer Weile Knie und Rücken weh. Sie hörte ein leises Rascheln, als Alyss sich umdrehte.
»Was machst du denn?«, fragte sie schlaftrunken.
»Tut mir leid«, sagte Evanlyn sofort. »Ich wollte dich nicht wecken.«
»Nicht du hast mich geweckt«, antwortete Alyss, »sondern das Licht.« Als ihr klar wurde, dass Evanlyn ihre Bemerkung missverstehen könnte, fügte sie rasch hinzu: »Das war ein Scherz.«
»Oh … na ja, tut mir trotzdem leid«, sagte Evanlyn. »Schlaf weiter.«
Doch Alyss setzte sich bereits auf. Sie zitterte in der kühlen nächtlichen Bergluft und warf schnell einen Schaffellmantel über ihre Schultern. Ohne aufzustehen, kroch sie auf allen vieren durchs Zimmer, um sich neben Evanlyn zu setzen.
»Zünde noch eine Laterne an«, forderte Alyss sie auf. »Wir werden ja blind, wenn wir versuchen, das in der Dunkelheit zu lesen.«
Evanlyn zögerte, woraufhin Alyss ungeduldig sagte: »Mach schon. Ich kann auf keinen Fall einschlafen, wenn ich mich ständig frage, was du hier treibst.«
Evanlyn nickte, zündete eine zweite Laterne an und zog sie nahe zur ersten, damit sie kräftiges Licht hatten. Alyss rutschte noch etwas näher und betrachtete die Karte.
»Wo kommt die denn her?«, fragte sie. Sie hatte auf den ersten Blick erkannt, dass es eine Karte von Ran-Koshi und dem Land im Norden war.
»Shigeru und ich haben sie nach Angaben von Toru und einigen anderen Kikori gezeichnet. Diese Gegend hier ist ja nicht unbekannt. Das einzige Geheimnis war die genaue Position von Ran-Koshi.« Sie tippte mit einem Finger auf den Teil der Karte, der das Tal und seine umliegenden Felswände zeigte.
Alyss nickte nachdenklich, dann deutete sie auf einen breiten Streifen im Norden des Tals.
»Was ist das?« Sie las den Namen darauf. »Mizu-Umi Bakudai?«
»Es ist ein riesiger See. Und hier drüben, auf der anderen Seite, ist die Provinz, wo die Hasanu leben.«
»Ich habe den Namen schon gehört. Was sind das für Leute?«
Es stand eine Teekanne auf dem Tisch und Evanlyn griff jetzt danach, um sich eine Tasse grünen Tee einzugießen. »Möchtest du welchen? Er ist immer noch warm.«
Alyss schüttelte den Kopf. »Nein, danke.«
»Die Hasanu sind ein wilder Bergstamm, der in dieser abgelegenen Gegend auf der anderen Seite des Sees lebt. Manche halten sie für sehr eigenartig. Anscheinend gibt es eine Menge Legenden über Bergwesen, Trolls und Dämonen und so weiter. Aber für Shigeru ist das alles Aberglauben. Er ist der Meinung, dass die Hasanu Menschen und lediglich ein sehr einfaches Volk sind. Es heißt, sie seien viel größer als die durchschnittlichen Nihon-Jan und mit langer rötlicher Körperbehaarung bedeckt.«
»Wie anziehend«, meinte Alyss.
Evanlyn gestattete sich ein kurzes Lächeln. »Ja. Aber sie sind ihrem Herrscher, einem adligen Senshi namens Nimatsu, treu ergeben, und er ist wiederum Shigeru treu ergeben. Außerdem sind sie wohl auch ziemlich gute Krieger«, fügte sie bedeutungsvoll hinzu.
»Hmm. Wenn Shigeru sie für sich gewinnen könnte, hätte er vielleicht eine anständige Streitkraft, um gegen Arisaka zu kämpfen«, überlegte Alyss laut. Wie die anderen Araluaner hatte auch sie bemerkt, dass die Kikori als Soldaten gewisse Schwächen hatten. »Sind es viele?«
»Tausende«, antwortete Evanlyn. »Das ist das Gute daran. Es gibt zwar jede Menge Klans, die Shigeru treu ergeben sind, aber sie sind alle klein an der Zahl und nicht sehr gut aufgestellt. Arisaka wird von seinem eigenen Shimonseki-Klan unterstützt und einem anderen, dem Umaik-Klan. Zahlenmäßig sind das die beiden größten Klans im Lande, also hat er eine starke Ausgangsposition.«
»Wenn wir die Hasanu um Hilfe bitten könnten, dann hätten wir mehr Männer als Arisaka. Was die anderen Klans wiederum ermutigen könnte, für Shigeru einzustehen. Das einzige Problem ist …«
Sie machte eine Pause und Alyss beendete den Gedanken für sie. »Die Hasanu befinden sich auf der anderen Seite dieses riesigen Sees.«
»Das stimmt. Und der Pfad um den See führt durch Berge, die noch unzugänglicher sind als hier. Shigeru sagt, es würde mindestens zwei Monate dauern, um dorthin zu gelangen, und genauso lange, um wieder zurückzukommen.«
Beide starrten schweigend auf die Karte. Dann sagte Alyss langsam: »Warum nehmen wir uns nicht an Walt ein Beispiel und überqueren den See, statt ihn zu umrunden.« Sie bezog sich auf Walts Einfall, von
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