Die Chroniken von Mondoria. Das Artefakt (German Edition)
begleitete Snip den Schamanen schon auf Schritt und Tritt. Er beobachtete sehr genau, was dieser tat, versuchte die Dinge zu verstehen und miteinander zu kombinieren. Und vor allem, versuchte er die Schriftzeichen zu lernen. Das entpuppte sich als gar nicht so leicht; denn er verfügte ja über keinen richtigen Lehrer. Doch wenn Ukdugg sich wieder mal ordentlich vollgedröhnt hatte, konnte Snip ihm das eine oder andere Geheimnis entlocken. Bald besaß er auf diese Weise einen kleinen Grundstock an magischen und auch anderen Zeichen. Und stetig wurden es mehr. Nachts, wenn der Schamane schlief, versuchte er sich auch schon mal an dem einen oder anderen Schriftstück, das im Zelt herumlag. Bei den Plünderungen nach den obligatorischen Schlachten organisierte Snipgutt besondere magische Gegenstände für seinen Herrn. Dem Orkboss gefiel das zwar nicht sonderlich, aber der Goblin stand unter dem Schutz des Schamanen und das musste der Boss wohl oder übel respektieren, was Snip allerdings nicht vor so manchem Tritt oder einer wüsten Beschimpfung bewahrte. Mit Hilfe der vielen magischen Gegenstände und seinen spärlichen Kenntnissen stellte er allmählich auch Verbindungen zwischen bestimmten Zeichen und den zugehörigen magischen Effekten her. Mit einem der Ringe, die er seiner Zeit gefunden hatte, konnte man beispielsweise Licht erzeugen, wenn man das richtige magische Wort sagte und sich auf den Ring konzentrierte. Andere Dinge wiederum wirkten ganz von selbst: Waffen, die alles zerschnitten, selbst Stein, Rüstungen, die auch vermeintlich tödliche Treffer auffingen, oder sein Monokel, das ihn Magie erkennen ließ. Das Zelt des Schamanen strotzte nur so von solchen Schätzen. Und viele warteten noch darauf, von ihm entdeckt zu werden. So vergingen die Monate. Snipgutt lernte immer mehr und wurde immer sicherer im Umgang mit den magischen Fundstücken. Auch seine Lesefähigkeiten verbesserten sich zusehends. Schließlich wurde er mutiger. Besonders interessante Stücke behielt er für sich zurück. Zunächst versteckte er sie nur. Dann suchte er nach Wegen, sie gegen Dinge einzutauschen, die er gebrauchen konnte. Schnell entdeckte er, dass es Menschen gab, die solche Gegenstände kauften und einen ausgesprochen guten Preis dafür bezahlten. So schlich er sich regelmäßig aus dem Lager heraus und traf sich mit diesen „Händlern“. Seinen Schamanen scherte das wenig. Ihn interessierte es viel mehr, neue phänomenale Substanzen zu erforschen. Und die anderen im Lager bekamen nichts von den Geschäften des Goblins mit.
Ein kräftiges Rütteln an seiner Schulter riss Snip jäh aus dem Schlaf. „Snip“, hörte er eine Stimme rufen, „du musst aufwachen! Schnell es ist dringend.“ Der Goblin schüttelte seinen Kopf, um den restlichen Schlaf aus den grauen Zellen zu vertreiben. „Hmm! Ukdugg, der Tabak liegt nicht hier“, gähnend reckte Snip sich und spürte schmerzhaft den Buchabdruck auf der linken Gesichtshälfte. „Du bist nicht Ukdugg... Ich bin in mein Versteck.“ Neben ihm stand Nogg, seine schwielige Hand lag schwer auf Snips Schulter und rüttelte weiter an ihm. Erregung erfüllte den sonst so stoischen Ork und Snip erkannte sofort, dass es etwas wirklich Wichtiges gab. „Draußen in der Schlucht sind Menschen.“, brachte Nogg hervor. „Viele Soldaten. Und sie suchen etwas.“ Das musste man ihnen lassen, sie waren schnell. Zu schnell. „Wer führt die Soldaten an?“ „Ein Zivilist. Ich glaube es ist ein Magier.“ ‚Natürlich!’, schoss es Snip durch den Kopf. Nur so konnten die Menschen ihn in dieser kurzen Zeit finden. Ein Magier. Sein Magen krampfte sich zusammen. Und das nicht nur, weil er schon länger nichts mehr gegessen hatte. Gegenüber den Künsten eines Magiers würde auch die Tarnung vor dem Eingang zum Unterschlupf nicht lange halten. Snip war inzwischen hellwach. Sein Verstand raste. Sie mussten hier raus. So schnell es nur ging. Anderenfalls würden sie den Menschen in die Hände fallen. Und was das bedeutete, lag auf der Hand. „Hol Rabb und schnappt euch eure Notpakete!“, rief Snip mit einem leicht kreischenden Unterton. Dann griff er sich eine Reisetasche und stopfte einige der Artefakte, Bücher und reichlich Münzen hinein. Ein paar weitere Dinge steckte er sich in die Jackentaschen. „1, 2, 3.“ Drei Schritte schlich er an der Wand entlang und blieb hinter dem Tisch stehen. Es war die richtige Stelle. Er schloss die Augen und suchte in den Untiefen seines Gehirns
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