Die Chroniken von Mondoria. Das Artefakt (German Edition)
Bikka hatte sich inzwischen hingekniet und tastete auf allen Vieren den Boden Zentimeter um Zentimeter mit seinen Fingern ab. Ohne Erfolg. Ärgerlich sprang er auf und schaute Snip hilflos an. Der versuchte, sich selbst zur Ruhe zu bringen, um besser nachdenken zu können. Dabei musste er unwillkürlich an Ukdugg denken. Der Orkschamane hatte mehr als einmal zu ihm gesagt: „Du musst deinen Kopf erst ganz leer machen, wenn du neue Gedanken hineinbekommen willst.“ Dann schnappte er sich für gewöhnlich seine Pfeife und rauchte irgendein Kraut, das ihn für eine Weile in eine andere Sphäre beförderte. Snip musste bei dieser Erinnerung grinsen. Dennoch steckte in Ukduggs Worten für gewöhnlich auch eine gewisse Portion Weisheit. Und so stellte sich der Goblin in die Mitte der Plattform, schloss die Augen und versuchte, jeden Gedanken aus seinem Gehirn zu verbannen. Er dachte an eine weite Ebene, auf der es absolut nichts gab. Kein Gras, keinen Strauch, keinerlei Lebewesen. Vor seinem geistigen Auge entstand ein Bild, das einfach nur Grautöne zeigte. Und auch diese verwischten zunehmend, bis nur noch eine undefinierbare Farbe übrig blieb. Vorsichtig öffnete Snip die Augen und staunte nicht schlecht, als er feststellen musste, dass die Plattform sich verändert hatte. Er erkannte die grauen Platten, aus denen der Boden bestand – eng und genau verlegt, aber mit deutlich erkennbaren Fugen. An einer Seite befand sich eine hölzerne Falltür mit einem Messinggriff. Der Eingang! Perplex starrte Snip noch eine Weile vor sich hin. Dann dämmerte es ihm: Die Plattform wurde durch eine magische Illusion getarnt. Ein wahres Meisterwerk der Zauberkunst. Innerlich zog er seinen Hut vor dem noch unbekannten Magier. Dann ging er zu der Falltür und zog an dem Griff. Ohne große Kraftanstrengung schwang die Falltür nach oben. Eine Treppe kam darunter zum Vorschein, die in den Turm hinunter führte. Mit dem Öffnen der Tür verschwand auch die Illusion. Nogg und Bikka zuckten fast simultan zusammen. Ungläubig starrten sie auf den Boden unter sich. Wie konnte das sein? Nachdem Snip ihnen mit sehr einfachen Worten erklärt hatte, was da gerade geschehen war, betraten sie den Turm. Die Treppe führte sie hinab in das oberste Stockwerk des Turmes und endete in einem kleinen fensterlosen Raum. An den Wänden steckten Fackeln in metallischen Halterungen und beleuchteten den Raum ein wenig. Snip fiel sofort auf, dass die Fackeln nicht wirklich brannten. Kein Rauch, kein Ruß, kein Brandgeruch. Auch hier war offensichtlich Magie im Spiel. In der gegenüberliegenden Wand entdeckten die drei eine Tür. Sie besaß keine Klinke und auch keinen Griff und wirkte sehr massiv. Ohne zu zögern ging Snip darauf zu und klopfte. Das Pochen klang dumpf und lauter als erwartet. Gespannt blickten die drei auf die Tür. Doch nichts geschah. Nun trat Nogg vor und schlug mit der Faust dreimal gegen das Holz. Es hallte so laut, dass die beiden Goblins sich instinktiv die Ohren zuhielten. Diesen Lärm musste man meilenweit hören können. Auch Nogg zeigte sich überrascht über die Wirkung seines Klopfens und zog schleunigst die Hand zurück. Kurz darauf vernahmen sie ein Geräusch. Es klang wie ein Schlurfen von der anderen Seite der Tür.
„Ich komme ja schon. Immer diese Hektik.“, vernahmen sie eine nörgelnde Stimme. Dann klackten mehrere Riegel und Schlösser und die Tür öffnete sich langsam. Ein Mann mittleren Alters musterte sie durch die halb geöffnete Tür. Gekleidet war er in ein langes sackartiges Gewand, das an der Taille von einem Strick zusammengehalten wurde. Daran baumelte ein großes Schlüsselbund. Die Haare schienen ihm allmählich auszugehen. Im vorderen Bereich seines Kopfes glänzte eine Glatze. Zum Ausgleich dafür ließ er die verbliebenen Haare am Hinterkopf umso länger wachsen. Wenig elegant fielen sie auf seine Schultern. Das markanteste Kennzeichen an ihm stellte aber seine überdimensionale Nase dar. Wie der Schnabel eines Geiers stand sie mitten in seinem Gesicht und zog jeden Betrachter in ihren Bann. Snip betrachtete sie mit fasziniertem Blick. ‚Dafür braucht man bestimmt einen Waffenschein.’, schoss es ihm durch den Kopf, und er musste grinsen. Dass den anderen beiden beim Anblick des Menschen ähnliche Gedanken in den Sinn kamen, konnte Snip an deren Reaktion ablesen. Offenbar bemühten sich beide, ein lautes Lachen zurückzuhalten. „Was ist euer Begehr?“, fragte in diesem Moment der Fremde mit einer
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