Die Chroniken von Mondoria. Das Artefakt (German Edition)
es, bis sie das Ende ihres Weges erreichten, und wiederum handelte es sich um die gleiche Stelle wie zuvor. Exakt in dem Moment, als sie den Hain verließen, drehte sich die Nadel des Kompasses um 180°. Snip wäre fast explodiert. Die Magie des Wäldchens schien sich über sie lustig zu machen, und sie konnten nichts dagegen machen. Verzweifelt suchte er nach einer Lösung für ihr Problem. Wie konnten sie zum Magier gelangen, wenn der Hain sie immer wieder ausspuckte? Doch so sehr er auch sein Hirn zermarterte, es kam nichts Sinnvolles dabei heraus. ‚Denk nach, du bist hier der Anführer!’, stachelte er sich selbst an. ‚Du muss eine Lösung finden. Das erwarten die anderen von dir. ’ Da meldete sich Bikka zu Wort. „Wie wäre es, wenn ich auf einen Baum klettere und mir das ganze einmal von oben ansehe?“ Snip überlegte kurz, dann nickte er. Schaden konnte das wohl nicht. Und vielleicht entdeckte der Wolfsreiter ja etwas von da oben. Behände zog sich Bikka von Ast zu Ast empor und verschwand schnell wie ein Eichhörnchen im Astgewirr der Bäume. Kurz darauf kehrte er auch schon wieder zurück. „Kommt hoch! Das müsst ihr euch ansehen.“, rief er den beiden anderen zu und schickte sich an, den Baum erneut hochzuklettern. Snip zuckte mit den Schultern, griff nach einem tief hängenden Ast und zog sich langsam hoch. Zwischenzeitlich hingen seine Füße in der Luft und er strampelte wild um sich, um wieder Halt am Baumstamm zu finden. Schließlich erwischte er einen anderen Ast, auf den er den Fuß stellen konnte. Der erste Schritt auf dem Weg nach oben. Ungelenk und wenig anmutig setzte er seine Kletterpartie fort. Nun kam Nogg an die Reihe. Der Ork hatte mit Abstand das meiste Gewischt in der Gruppe. Und auf Bäume kletterte er sonst eigentlich nie. Unsicher schaute er den schlanken Nadelbaum empor. Würde der ihn überhaupt tragen? Mit seinen großen Pranken suchte er Halt an der Borke des Baumes und versuchte sich allein mit den Händen hochzuziehen. Doch er kam nicht weit und rutschte unverrichteter Dinge wieder ab. Ärgerlich sprang er auf, um einen erneuten Versuch zu unternehmen, da fiel von oben ein Seil herab. Offenbar hatten seine Gefährten Einsicht mit ihm und wollten ihm helfen. Und tatsächlich: Mit vereinten Kräften gelang es, auch den schweren Ork in die Baumkrone zu hieven. Oben angekommen, bot sich ihnen ein atemberaubender Blick. Die Wipfel der eng stehenden Bäume bildeten quasi einen dunkelgrünen Teppich, der sich in alle Richtungen ausbreitete. In seiner Mitte ragte ein Gebäude aus dem Wäldchen empor. Das oberste Stockwerk eines großen Turmes schloss fast bündig mit den Baumspitzen ab. Eine Plattform von rund zehn Metern Durchmesser bildete dieses obere Geschoss. Sie bestand aus unscheinbarem grauem Stein, ganz ohne Zinnen oder eine Balustrade. Wenn man nicht genau hinsah, konnte man sie glatt übersehen. So sah also die Wohnstatt des Magiers aus. Vorsichtig machten sich die drei auf den Weg zur Plattform. Mit großer Mühe hangelten sie sich über die schwankenden Wipfel. Auch wenn die Bäume sehr dicht standen, dazwischen befanden sich zahlreiche Lücken. Und ein Sturz aus dieser Höhe konnte unangenehme wenn nicht gar tödliche Folgen haben. So kletterten sie sich von einem Baum zum nächsten und achteten darauf, ausreichend Abstand zwischen sich zu lassen. Sie wollten nicht das Risiko eingehen, dass eine Baumspitze unter zu viel Gewicht einfach abbrach. Diese Fortbewegungsweise kostete viel mehr Kraft, als sie gedacht hätten. Ihre Arme begannen zu schmerzen, und der Weg schien einfach nicht enden zu wollen. Doch dann setzte Bikka als erster endlich einen Fuß auf die Plattform. Erschöpft ließ er sich auf den Steinfußboden sinken und atmete erst einmal tief durch. Kurz darauf kamen auch die anderen beiden an und schnauften ebenfalls gewaltig. Wie lange sie da lagen und in den Himmel starrten, konnte hinterher keiner von ihnen so genau sagen. Es tat einfach nur gut, sich nicht bewegen zu müssen. Allmählich wich der Schmerz aus ihren Gliedern. Ächzend standen sie auf und schauten sich auf der Plattform um. Die gesamte Plattform bestand aus einer einzigen großen Steinplatte. Keine Fugen, keine Ritzen. Snip musterte den Fußboden aufmerksam. Irgendwie musste man doch in diesen Turm hinein kommen. Wieder einmal zückte er sein Monokel und blickte hindurch. Der Turm leuchtete – wie der gesamte Hain – in einem leichten Rot. Keine Stelle hob sich besonders vom Rest ab.
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