Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
sich im Mund ausbreitete. Wenn dies die letzten Minuten in Freiheit waren, wollte er sie genießen.
VIERZEHN
DEV
Ich ließ Kiran auf der Ladefläche sitzen, bis wir eine Viertelmeile vor der Siedlung waren. Als ich anhielt und zu ihm herumging, empfing er mich mit der grimmigen Anspannung eines Mannes, der seine Hinrichtung erwartet. Ich öffnete das Fläschchen mit der Hennanwurz und schmierte die grüne Paste auf ein Stück Brot, das ich aufbewahrt hatte. Unglaublich, dass diese verrückten Sulaner das Zeug freiwillig schluckten. Es sah aus wie Schimmel und stank wie ranziges Öl. Mitfühlend reichte ich Kiran den Happen.
Er starrte ihn so lange an, dass ich unruhig wurde und überlegte, ob ich ihn eigens noch mal auffordern müsste. Doch dann biss er entschlossen hinein. »Es schmeckt nicht so widerlich, wie es riecht«, sagte er, nachdem er widerwillig geschluckt hatte.
»Eine kleine Gnade am Rande.« Ich gab ihm den Wasserschlauch. Er zwang sich den zweiten Happen hinein, würgte unwillkürlich und trank hastig einen Schluck Wasser.
Meine Kehle war plötzlich staubtrocken. Wenn Kiran sich geirrt hatte und die Hennanwurz seinen Schutz gegen Ruslan zerstörte … Wie würde es sich anfühlen zu sterben wie Harken?
Rigoros schob ich den Gedanken beiseite. Es hatte keinen Sinn, zurückzudenken. Ich hatte mich entschieden, den Auftrag zu Ende zu bringen. Alles Weitere lag in Khalmets Hand.
»Wie lange dauert es, bis es wirkt?« Kiran versuchte, nicht nervös zu klingen, aber seine blauen Augen waren riesig, sein Gesicht blass, und er hielt sich krampfhaft an der Seitenwand des Wagens fest.
»Nicht lange.« So hatte die Kräuterfrau jedenfalls behauptet. »Steig doch ab und vertritt dir die Beine, solange wir warten.« Nichts beruhigt so sehr wie ein bisschen Bewegung.
Er stieg vom Wagen und schritt mit eisenharten Schultern zwischen die Zinnoberkiefern. Ich spielte mit den Zügeln und versuchte, mein Herzklopfen zu ignorieren.
Kiran blieb stehen und fasste sich an den Kopf. »Mir wird schwindlig.« Er schwankte. Ich sprang vom Wagen und ging zu ihm.
»Komm mit und setz dich.« Ich griff nach seinem Arm, zögerte und zwang mich, ihn zu stützen. Wenn Ruslan ihn schnappte, würde ich sterben, ob ich Kiran gerade anfasste oder nicht.
»Mein Kopf … du meine Güte …« Er taumelte und fiel auf die Knie, obwohl ich ihn festhielt. »Dev, ich kann nicht …« Er hob die Stimme, klang panisch.
»Scheiße!« Ich ließ ihn los, als hätte ich mich verbrannt. »Ist es Ruslan?«
»Nein, meine Barriere hält, aber …« Er sprach bereits undeutlich. Der Kopf sank ihm in den Nacken, die Haare fielen nach hinten. Seine Pupillen waren stark geschrumpft, sodass seine Augen schaurig blau leuchteten. »Ich kann nicht …«, setzte er wieder an und griff sich an die Schläfen.
»Kiran! Was ist?« Ich packte seine Handgelenke. Er wand sich und zappelte wie ein panisches Tier. Ich schrie ihn an, um ihn zur Vernunft zu bringen. Er beruhigte sich, sein Atem ging aber weiter schnell und flach.
»Kiran. Hör mir zu! Unterdrückt das Zeug deine Magie?« Ich sprach betont langsam und deutlich. Offenbar wirkte die Hennanwurz unangenehm, aber ob wir sicher durch das Grenztor kämen, wusste ich immer noch nicht.
Er sah mich verständnislos an, versuchte sich zu konzentrieren, und ich wiederholte die Frage noch langsamer. »Mirscheint … ja … es fühlt sich …« Er sprach mit schwerer Zunge und schauderte in einem fort. Der Satz blieb unvollendet, seine Augen wurden groß und blickleer. Ich seufzte. Eine klarere Bestätigung würde ich wohl nicht bekommen. Wenigstens hatte die Hennanwurz uns keinen Angriff Ruslans beschert – nahm ich jedenfalls an, da ich noch atmete.
Mit schmeichelnder Stimme redete ich auf Kiran ein, damit er wieder auf den Wagen stieg. »Kiran, du machst das alles wunderbar … jetzt kriech da rauf …«
Er biss die Zähne zusammen. Ich musste sie auseinanderzwängen, um ihm die Yeleran-Tinktur einzuflößen. Als er versuchte, sie auszuspucken, hielt ich ihm die Nase zu, sodass er schlucken musste. Danach wehrte er mich ab, doch seine Bewegungen waren kraftlos. Ich konnte ihn mühelos festhalten, bis das Yeleran wirkte.
Ich lehnte mich zurück und atmete auf. Scheiße, ich hasste diesen Auftrag. Die Kräuterfrau hätte mir wirklich sagen können, dass Hennanwurz mitunter zu einer Panik führte. Aber vielleicht war das nur bei Blutmagiern der Fall oder auch nur bei
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