Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
sollen. Aber du solltest etwas essen. Du wirst deine Kräfte brauchen. Besonders wenn du weiter so gegen Ruslan kämpfen willst. Warum tust du das? Du weißt, du kannst nicht gewinnen.«
» Du kennst den Grund.« Der Zorn brachte ihn auf die Beine. »Du warst dabei. Du hast ihm geholfen! Wie konntest du für ihn den Zauber lenken, nachdem du wusstest, was er tun will?«
»Glaubst du, ich hätte mich widersetzen können?«, erwiderte Mikail ruhig. »Ich wurde Jahre vor dir von ihm gezeichnet und gebunden.«
Kiran setzte sich wieder. »Jedes Mal, wenn ich die Augen schließe, sehe ich Alisa schreien und mich um Hilfe anflehen.« Er schlug sich die Hände vors Gesicht. »Ich kann das nicht ertragen. Ich kann es nicht. Immer wieder denke ich: Wenn ich seinen Zorn nur genügend anfache …«
»Du kleiner Narr!«, unterbrach Mikail ihn scharf. »Selbst in seinem schlimmsten Zorn würde Ruslan dich nicht töten. Aber wenn du ihn weiter provozierst, treibst du ihn dazu, dir den freien Willen zu nehmen. Willst du das?«
»Das ist immer noch besser, als mit dem Wissen zu leben, dass Alisa meinetwegen qualvoll gestorben ist!« Kiran schlug mit der Faust auf den Steinboden. Die Linien leuchteten warnend auf, und er riss die Hand frustriert zurück. »Ich dachte, ich sei so vorsichtig gewesen. Aber irgendein Fehler muss mir wohl unterlaufen sein. Sonst hätte er nicht von ihr erfahren. Ich komme nur nicht darauf, und das zerreißt mich fast.« Seine Stimme überschlug sich, und er fing an zu husten.
Mikail stand stumm da und betrachtete ihn. »Du warst tatsächlich sehr vorsichtig«, sagte er dann beinahe unhörbar. Ich war es, der Ruslan erzählte, dass du eine Nathahle als Liebchen hast.«
»Wie bitte?« Kiran riss entsetzt die Augen auf. Mikail hatte ihm geschworen, Stillschweigen zu wahren. Er hatte Kiran jahrelang gedeckt, ohne sich auch nur einmal zu beschweren. Kiran hatte sich stets an ihn um Hilfe und Schutz wenden können.
»Ich habe es für eine harmlose Schwärmerei gehalten, aus der du noch herauswachsen würdest. Aber die Jahre vergingen, und es wurde nur schlimmer. Als du anfingst, ihre lächerlichen Ideen vom Wert jeden Lebens nachzuplappern, fürchtete ich, ein schlichter Fall k indlicher Rebellion könnte sich zu etwas Gefährlichem steigern.« Mikail schüttelte den Kopf, sein Blick war verschleiert. »Ich habe recht gehabt. Schau, was daraus geworden ist – fast hätte es dich vernichtet! Ich hätte es gar nicht so lange mitmachen dürfen. Hätte es Ruslan schon vor Jahren sagen sollen.«
Entsetzen und Wut trübten Kirans Blick. »Du hast es ihm gesagt, obwohl du wusstest, was er tun würde?« Er sprang auf und zitterte am ganzen Leib.
»Ich wusste, er würde dem ein Ende machen. Ich habe nur nicht geahnt, dass du so … extrem reagieren würdest.« Mikail runzelte nur leicht die Stirn, als hätte er bei einem Übungszauber einen ärgerlichen Fehler gemacht.
»Es tut dir nicht einmal leid«, flüsterte Kiran und starrte ihn an. Seine Wut schwoll an, er konnte sich nicht mehr beherrschen. Blind für alles schlug er seinen Bruder mit aller magischen Kraft, die er in sich hatte.
Nur um selbst keuchend zusammenzubrechen, da die Abwehrzeichen lodernd ihren Dienst taten und die Magie auf ihn zurücklenkten.
»Siehst du?«, sagte Mikail sanft, als Kiran sich vor Schmerzen krümmte. »Du bist kein Nathahle. Je eher du das akzeptierst, desto besser.«
Kiran hob den Kopf von den Knien. Durch die Ritzen in der Bretterwand schien das erste Tageslicht. Er musste geschlafen haben, fühlte sich aber nicht ausgeruht. Wut und Trauer stachen ihm ins Herz, und abwechselnd sah er Mikail und Alisa vor sich. Er verscheuchte die Bilder und griff nach der Augenbinde, die neben ihm lag.
In der Ferne hörte er Hufschlag. Er sprang auf, die Augenbinde in der Hand. Dev hatte ihn also doch verraten, genau wie er befürchtet hatte, und jetzt kamen die Alather, um ihn festzunehmen.
Das unerträgliche ständige Zupfen in seinem Geist bremsteseinen unwillkürlichen Drang, Magie zu beschwören. Ruslan hätte andernfalls sofort zugeschlagen. Und vor die Wahl gestellt, ließ sich Kiran lieber von den Alathern als von Ruslan gefangen nehmen.
Er stob zur Hüttentür, um in den Wald zu fliehen. Doch als er sie aufriss, sah er keine uniformierten Reiter, sondern Dev auf dem Kutschbock eines alten Karrens, der von einem Pferd mit zotteliger grauer Mähne und stämmigen Beinen gezogen wurde.
Verblüfft und voller Freude
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