Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
milde, aber man hörte die tödliche Drohung heraus.
Pellos Gesicht bekam die Farbe von altem Pergament. »Ich weiß es nicht. Ich habe ihn durchsucht, wie du befohlen hast. Wenn der Stein sehr klein war, hatte er ihn vielleicht unter der Zunge. Ich hab dir ja gesagt, dass es sicherer ist, ihm zusätzlich Yeleran zu geben. Du meintest aber, dass das die Wirkung der Hennanwurz zu sehr verlängert.«
Ich sah Simons Hand zucken und dachte, jetzt würde Pello tot umfallen. Aber Simon tat nichts, außer dass er zur Kutsche blickte. »Wir werden sehen«, sagte er in demselben milden Ton. »Drüben in Arkennland wird Kiran mir schon verraten, wessen Fehler das war.«
Offenbar brauchte er Pello noch für irgendwas. Doch sein Tod war schon beschlossene Sache, das war Simon anzuhören.
Und Pello wusste das auch. Er wirkte äußerst angespannt. Mit rasender Schnelligkeit ging ich die Möglichkeiten durch, die sich daraus ergaben. Vielleicht könnten wir Pellos Lage ausnutzen.
Simon ließ sich bei Kiran auf ein Knie nieder und sagte etwas, aber so leise, dass ich es nicht verstand. Dann zog er einen Dolch aus dem Gürtel, stach sich und Kiran in die Handfläche und drückte sie aneinander.
Kirans starre Lähmung löste sich auf, er erschlaffte. Einen Moment lang dachte ich, mehr hätte Simon nicht erreichen wollen.
Doch dann fing Kiran an zu schreien und wand sich, als würde er lebendig verbrannt. Es war so entsetzlich, dass ich mir die Ohren zuhalten wollte, aber ich wagte nicht, die Zweige loszulassen, an denen ich mich festhielt. Er schrie eine Ewigkeit, und Simon weidete sich an seinem schmerzverzerrten Gesicht. Endlich stand der Scheißkerl auf. Kiran verstummte und lag reglos mit geschlossenen Augen da.
»Durchsuch ihn!«, befahl Simon seinem Diener. »Aber gründlich. Dann fessle ihn an Händen und Füßen. »Und du«, sagte erzu Pello, »mach die Kutsche bereit. Rasch, falls jemand auf der Straße ist und uns gehört hat.«
Ich schöpfte neue Hoffnung. Vielleicht wollte er doch durch das Grenztor.
Simon streckte den Arm aus. Die Armschiene blitzte auf und glühte dann giftig grün. Ein paar Fuß vor ihm in der Luft leuchtete es in derselben Farbe, bis es schließlich aussah, als stünde er vor einer schimmernden, halb durchsichtigen Wand. Der Diener durchsuchte derweil Kiran, ohne auch nur ein Mal aufzublicken. Pello dagegen, der dabei gewesen war, die Koffer aufs Kutschendach zu laden, starrte mit großen Augen auf das Geflimmer.
Mir wurde ganz flau vor Staunen und Schrecken. Mutter der Jungfrauen, wenn Simon tatsächlich durch den Grenzwall gelangte …
Simon schien sich immer mehr anzustrengen, und plötzlich bekam die Flimmerwand ein Loch, das sich ausdehnte.
Fast hätte ich einen Zweig abgebrochen. Cara fasste mich an der Schulter. Sie tippte an meinen Gürtel, wo der Knochenspalter steckte, und deutete mit dem Daumen zur Grenze.
Ich schüttelte zähneknirschend den Kopf und machte das Zeichen für »nicht genug Seil«. Keines meiner Amulette würde reichen, um die Alather zu alarmieren. Und der Flammenschild um Simon hatte gezeigt, wie gut der Magier geschützt war.
Plan?, fragte Cara stumm drängend.
Überlege schon. Bei den Göttern, wir mussten doch etwas tun können!
Das Loch in der Grenze war schon so groß, dass ein Mann hindurchpasste. »Trag den Jungen hinüber«, befahl Simon seinem Diener. Er klang heiser, und sein ausgestreckter Arm zitterte. Ich versuchte, mich an alles zu erinnern, was Kiran je übers Zaubern gesagt hatte. Könnte Simon einen Zauber wirken, während er sich mit einem anderen schon so anstrengte? Verdammt, ich wusste es nicht, und das Risiko bei einem Irrtum wäre zu groß.
Der Diener lud sich Kiran auf die Schulter. Der war mit Lederriemen gefesselt und vollkommen schlaff. Bewusstlosigkeit war sicher ein Segen für ihn. Zögerlich bewegte sich der Diener auf das Loch zu.
»Beeil dich«, schnauzte Simon. Nach einem unsicheren Blick auf den wabernden Rand duckte der Diener sich hindurch, lud Kiran unter einer Zinnoberkiefer ab und kam zurück.
Simon zeigte auf das gesattelte Pferd. Der Diener zog den Pflock und führte das Tier zum Loch. Es schnaubte und rollte die Augen. Ich betete, es möge sich aufbäumen, doch der Diener redete leise auf es ein und konnte es beruhigen.
Ich neigte mich an Caras Ohr. »Wir müssen abwarten«, flüsterte ich. »Wir lassen ihn auf die andere Seite, reiten nach Kost zurück und melden es den Alathern.«
»Aber wenn er drüben ist,
Weitere Kostenlose Bücher