Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
Schulter. »Warum sollte ich dir überhaupt zuhören?«
»Weil ich weiß, wie du Simon findest. Du hast nämlich nicht vor, einfach nach Ninavel zurückzuwandern.«
Nein, natürlich nicht. Ich hatte gehofft, das von ihm zu erfahren, aber geglaubt, ich würde es ihm mit Gewalt abpressen müssen, solange Cara nicht bei uns war. Zu verhandeln fiel mir leichter, aber … »Du kannst mich ganz leicht anlügen und mich auf eine falsche Fährte setzen.«
»Sicher, das könnte ich, wenn ich nur eine Wegbeschreibung zu bieten hätte.«
Mein Herz machte einen Satz. »Du hast etwas, um ihn aufzuspüren?«
Er nickte. Sein Atem ging röchelnd. »Gib mir dein Wort, dass ihr euch beide zurückhaltet und die Blutung stillt.« Er deutete mit dem Kinn auf seinen durchnässten Mantel. »Ich gebe dir das Mittel, um Simon zur Strecke zu bringen … und mein Wort, Melly nicht zu schaden.«
Ich lachte wieder. »Du willst dich auf mein Wort verlassen?« Ich auf seins bestimmt nicht.
»Bevor ich aus Ninavel aufbrach, habe ich vieles über dich erfahren«, sagte Pello. Manche Menschen brechen ein Versprechen ganz leicht. Du nicht.«
Mein Leben wäre ganz bestimmt einfacher, wenn ich so wäre wie Jylla. Ich schaute zu den Koffern, dann zum Kutschenschlag. Falls Pello irgendwo Haare oder Blut von Simon versteckt hielt, könnte ich das vielleicht selbst finden.
Pello kicherte lautlos. »Du wirst es nicht so schnell finden, und jeder Moment, den du mit Suchen vergeudest, bringt Simon näher an seinen Schlag gegen Ruslan.«
Verdammt, da hatte er recht. Ich kaute auf der Lippe. Pello am Leben zu lassen war riskant, keine Frage. Andererseits, wenn wir ihn den Alathern als Gefangenen überließen und sie ihn verhörten … Ob er Sechavehs oder Simons Mann war, der Rat würde wochenlang in seinem Gedächtnis stöbern. Bis er wieder in Ninavel wäre – falls er zurückkehrte –, sollte Cara Melly schon aus der Stadt gebracht haben.
»Gut«, sagte ich. »Halte dich an deinen Teil der Abmachung, dann mache ich dich nicht kalt, das schwöre ich bei Suliyyas Juwelen. In meinem Rucksack, den Cara gerade holt, habe ich einen Blutstiller. Geht die Sache klar?«
Pello sah mich prüfend an, dann nickte er. »Die Satteltasche auf dem Kutschbock … da drin ist eine Wollmütze. Schneide den Saum an dem roten Flicken über der rechten Ohrenklappe auf.«
Das tat ich und behielt ihn dabei genau im Auge. Es war die bunte Flickenmütze, die er beim Konvoi getragen hatte. Im Futter fand ich einen dünnen, zusammengefalteten Leinenstreifen. Darin eingewickelt lagen mehrere glatte braune Haare, die viel länger waren als Simons.
Mein Magen machte einen Satz. Ich rieb mit dem Finger über ein Haar. Es färbte braun ab.
»Das sind Kirans«, sagte ich aufgeregt.
Pello brummte. »Hab sie ihm am Eissee ausgerissen.«
Mit denen ließe sich Kiran über Meilen aufspüren. Ich hatte tatsächlich noch eine Chance, ihn zu retten.
Pellos dunkle Augen glänzten. Er hielt meinen Blick fest. »Nimm mich mit. Ich habe in Kost einen starken Wundschließer, und trotz Simons Bindung kann ich dir noch von Nutzen sein.«
»Scheiße, nein. Ich trau dir nicht, nicht für einen Kupferling. Dein Leben hast du dir verdient, aber du bleibst schön hier, wo du mir kein Messer in den Rücken stoßen kannst.« Ich nahm ein Hemd aus seiner Satteltasche, riss es in Streifen und verband ihm die Wunde. Den Pfeil ließ ich drin. Einen Stofffetzen tauchte ich in das Blut, das auf die Kiefernnadeln am Boden getropft war, und schnitt ihn entzwei. Eine Hälfte war für mich, die andere für Cara.
»Nur zur Sicherheit«, sagte ich, als ich die Fetzen einsteckte. Falls es Pello schaffte, sich zu befreien, würden ihn die Alather damit finden.
»Habe ich denn nicht bewiesen, dass ich auf eurer Seite stehe?« Er blickte mich beschwörend und ernst an, fast wie Kiran.
Ich schnaubte nur und nahm einen Rest von dem zerschnittenen Zügel und einen Stoffstreifen, den ich zusammenknüllte. Wenn ich seiner glatten Zunge weiter freien Lauf ließe, würde er Cara glatt überreden, ihn loszubinden, ehe ich mich einmal umgedreht hätte.
»Wenn du überlebst, wiederhole ich mein Angebot«, sagte Pello. »Sechaveh wird sich freuen, einen so findigen und wagemutigen Mann in seine Dienste zu nehmen.«
Khalmets Hand, der hatte vielleicht Nerven. Ich knebelte ihn. Wagemutig. Ha. Wohl eher lebensmüde. Hinter der Grenze würde ich eine Begegnung mit Simon nur durch ein Wunder überleben.
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