Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
wollte.
Vorausgesetzt, Kiran log mir nicht dreist ins Gesicht. Mal wieder. Er wusste, ich war behaftet gewesen. Da war es nicht schwer, darauf zu kommen, was ich als Kind getrieben hatte. Vielleicht hatte er mit seiner kleinen Geschichte aufgewartet, um meine Sympathie zu gewinnen. Selbst wenn seine Geschichte stimmte, wäre sie keine Entschuldigung für die Toten, die er auf dem Kerbholz hatte, oder dafür, dass er die anderen in die Hände eines wütenden Blutmagiers hatten fallen lassen. Ich musterte ihn kalt.
»Du willst abhauen, schön – du hättest den Mumm haben sollen, es allein zu tun. Dank deiner sind jetzt zwanzig Leute tot. Wie viele wird Ruslan umbringen?«
»Ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte!« Kiran sah mich flehend an. »Das Akhelashva-Ritual hat mich an Ruslan gebunden, und die Bindung kann ich nicht lösen. Er hat meine Magie so sehr unter Kontrolle wie seine eigene. Er kann meine Abwehr mit einem einzigen Gedanken niederreißen und mich finden,ganz gleich wie weit ich flüchte. Mein Amulett blockiert die Verbindung zwischen uns, wird ihn aber nicht lange aufhalten können. Der alathische Grenzwall ist meine einzige Hoffnung auf wirksamen Schutz. Ich wusste nur nicht, wie ich unerkannt ins Land gelangen sollte, mal ganz abgesehen von der Wanderung durchs Gebirge. Ich brauchte einen Führer. Dich.«
Mich, den vom Pech verfolgten Idioten, der jetzt in einer Höhle festsaß, während seine Freunde einem Magier entgegentreten mussten, der ein Folterspezialist war. Mir kam schon wieder die Galle hoch. »Du hättest mir die Wahrheit sagen sollen«, fuhr ich ihn an. »Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich mit dir gar nicht beim Konvoi mitgefahren.«
»Dann hättest du mir überhaupt nicht geholfen«, stellte Kiran düster fest.
Ja, da hatte er verdammt recht. Hätte ich auch nur die Hälfte davon geahnt, hätte ich Bren gesagt, er könne mich mal kreuzweise. Dreifache Bezahlung plus amuletttaugliche Steine, von wegen. Was nützten die einem toten Mann? Selbst wenn ich Ruslan durch die Finger schlüpfte, blieben noch die Alather. Bei Blutmagie machten die kurzen Prozess. Wenn die mich erwischten, wie ich einem Blutmagier half, würden sie mich auf der Stelle lebendig verbrennen.
Kiran beobachtete mich und wurde noch blasser. »Dev, tu nichts Unüberlegtes. Was ich dir beim Konvoi gesagt habe, ist wahr. Das schwöre ich bei meinem Blut und meiner Ikilhia.« Seine Finger umschlangen den Deckensaum. »Wenn du mich im Stich lässt, wird Ruslan dich finden und du wirst von seiner Hand sterben. Selbst wenn du mich ihm auslieferst, wird er dich nicht verschonen. Nicht nachdem du mit mir zusammen vom Konvoi geflohen bist. Du weißt nicht, was er einem Menschen seelisch und körperlich antun kann, wie er die Qualen immer wieder verlängert …« Er brach würgend ab und schlug sich die Hände vor die Augen. Seine Brust bebte unter trocknen Schluchzern.
Scheiße. Ich wusste, wie jemand aussieht, der eine entsetzliche Erinnerung abwehrt. Kiran log vielleicht, was seine Beweggründe betraf, aber seine Schilderung Ruslans als rachsüchtigen, sadistischen Scheißkerl, der jemanden scheibchenweise umbrachte, weil er ihn verärgert hatte, war ganz bestimmt wahr. Das passte haargenau zu allem, was ich über Blutmagier gehört hatte.
Ich wandte mich ab und schritt in der Höhle auf und ab, schob meine Wut mühsam beiseite und dachte nach. Da uns Ruslan auf den Fersen war, konnte ich mich nicht einfach aus dem Staub machen, so sehr ich mir das wünschte. Zumindest noch nicht. Aber wenn wir die Grenze erreichten, würde es ein Leichtes sein, Kiran sitzen zu lassen und allein nach Kost zu gehen. Ich würde die ganze verfluchte Scheiße vergessen und das Geld sausen lassen.
Und Melly vergessen, die einen schrecklichen Preis für meine Feigheit zahlen würde, und Sethan enttäuschen, der mir nicht nur das Leben, sondern auch die Seele gerettet und nie danach gefragt hatte, was es ihn kosten würde.
Kiran hatte sich so weit gefasst, dass er die Schultern straffte und mir in die Augen sah. »Wenn du mehr Geld brauchst oder etwas anderes – ich werde es dir geben, wenn wir in Kost sind.«
Ich schnaubte und schritt weiter auf und ab. »Ja, klar. Wie denn, ohne Magie? Glaubst du, ich weiß nicht, dass du mir alles versprechen würdest, um über die Grenze zu kommen?« Allerdings hatte er recht: Mir blieben nicht viele Möglichkeiten. Wenn Sethan jetzt aus Suliyyas Gärten zuschaute, wie die
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