Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
Male ich schon eingereist sei und so weiter und so fort.
Nach einer kleinen Ewigkeit hörte der Magier auf, mich zu umkreisen, und ging zu meinem Rucksack, wo er eine weitere Ewigkeit damit verbrachte, jedes Amulett einzeln zu befingern. Gut dass ich sie stark reduziert und nur die schwächsten mitgenommen hatte. Lieber hätte ich gar keine mitgenommen, aber kein Alather würde glauben, dass ein Schürfer aus Ninavel ohne Amulett unterwegs war.
»Er darf passieren«, verkündete der Magier endlich. Der Grenzer packte mein Zeug wieder ein und nickte dem Hauptmann zu. Der schrieb noch etwas in sein Buch und gab mir ein Papier, auf das eine Nummer und das Datum meines Grenzübertritts gestempelt waren. Ich setzte den Rucksack wieder auf und schlenderte durch das Tor.
Dunkel ragte es über mir auf. Die schwarzen Schutzzeichen verhielten sich still. Ich hatte Mühe, ruhig zu atmen, während ich darunter durchging. Es gab keinen Grund, warum die Zeichen meinetwegen in Aktion treten sollten. Aber vielleicht täten sie es einfach aus Prinzip; das hätte mich nach dem Verlauf dieser Reise auch nicht mehr überrascht.
Die glänzenden schwarzen Schnörkel blieben still, und ich passierte die letzten zwei Grenzwächter ohne Zwischenfall. Eine Woge der Erleichterung durchlief mich. Bei den Göttern, es tat so gut zu wissen, dass Ruslan mich mit keinem Zauber mehr treffen konnte.
Sofort setzte die Versuchung ein. Ich war nicht gezwungen, zu der Hütte zurückzukehren. Ich könnte in Kost so lange untertauchen, bis Ruslan Kiran geschnappt und nach Ninavel zurückgeschleift hätte. Nach einer Woche zur Hütte schleichen, mein Zeug holen und erst dann zu Gerran gehen. Ihm sagen, er könne mir nicht vorwerfen, dass ich vor einem wütenden Blutmagier gekniffen hatte, meinen üblichen Schmugglerlohn einstreichen und die Verluste abhaken.
Doch diesmal sah ich nicht nur Melly vor mir, sondern auch den verzweifelten Kiran, der mit verbundenen Augen auf mich wartete. Seufzend strich ich mir übers Gesicht. Es war nicht meine Art, es mir bei allem leicht zu machen, und es hatte keinen Sinn, jetzt damit anzufangen.
Ich eilte an den Werften vorbei zu den Ställen und mietete mir ein stämmiges, rotbraunes Pony mitsamt einer Laterne. In den Hauptstraßen brannten Öllampen vor den Läden und Schenken, aber Gerrans Büro lag etwas abseits. Er betrieb seine Geschäfte in ein paar Lagerhäusern mitten im labyrinthischen Hafenviertel. Anders als in Ninavel waren nach Sonnenuntergang kaum Leute in den zwielichtigen Vierteln unterwegs. Alather arbeiteten bei Tag und kamen abends in den Schenken und Tanzsälen zusammen, wahrscheinlich weil es das halbe Jahr über regnete.
Viele Häuser, an denen ich vorbeikam, lagen dunkel da, aber in Gerrans Fenster brannte Licht. Ich hatte mir gedacht, dass der alte Hurensohn noch dort war. Wahrscheinlich hockte er über seinen Büchern, weil er den Konvoi aus Ninavel erwartete. Ich band mein Pferd draußen an und stieg geräuschvoll die Treppe hinauf. Als ich an die Tür klopfte, öffnete mir ein stämmiger Kerl im grauen Arbeitsanzug, offenbar Gerrans Mann fürs Grobe. Gerran hatte jedes Jahr neue Leute, aber sie waren alle gleich: groß, massig und zu dumm, um auf dumme Gedanken zu kommen.
»Devan aus Ninavel. Gerran erwartet mich«, sagte ich zu ihm. Er verschwand nach drinnen, und ich hörte einen gedämpften Wortwechsel. Als er die Tür wieder aufmachte, ließ er mich wortlos herein. Ich ging durch den Vorraum mit lauter Tafeln an den Wänden, auf denen Preise und Wechselkurse standen. Dahinter lag Gerrans Büro. Wie Brens enthielt es nur einen Tisch, ein paar Stühle und einige aufgestapelte Kisten. Dennoch regelte Gerran hier alle seine Geschäfte.
Er saß hinter dem Tisch und beäugte mich über seine Brille hinweg. Er war im selben Alter wie Bren, hatte graue, schüttere Haare und ledrige, tief gefurchte Haut, aber noch immer den Körper eines Mannes, der kräftig austeilen und einstecken konnte. Ich hatte gehört, er habe viele Jahre lang Handelszüge geführt, bis er und Bren miteinander ins Geschäft kamen.
Eines musste ich ihm lassen. Dass ich vor der Zeit bei ihm aufkreuzte, konnte nur Ärger bedeuten, doch seinem breiten Gesicht war nicht die geringste Bestürzung anzusehen, und seine tiefe Stimme war so ruhig wie immer. »Dev. Bist du mit deiner Lieferung in Schwierigkeiten gekommen?«
Er verhielt sich vorsichtig, da er nicht sicher sein konnte, wie viel ich wusste. Der Zorn, der in mir
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