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Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier

Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier

Titel: Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Schafer
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brauchte kein Geistesriese zu sein, um sich auszurechnen, dass sich meine verbliebene Lebensspanne in Augenblicken bemaß, sollte Ruslan sich an Kirans Schutzschild vorbeiwinden. Ich überging mein mulmiges Gefühl. Verdammt, das war auch nichts anderes, als eine Kletterpartie vor einem drohenden Sturm zu schaffen. Nur ein Dummkopf überließ sich der Panik, was zu tödlichen Fehlern führte.
    Als wir an einen gluckernden Bach gelangten, wo Purpurkraut am Ufer wuchs, hielt ich ihn an. »Hattest du noch mal eine Vision?«
    Er schüttelte den Kopf. Seine Lippen waren blutleer.
    »Schlimm genug, dass Ruslan uns in dieser Gegend vermutet, aber wenn er eine Hütte sieht, weiß er, wo wir sind.« Ich holte einen der Leinenstreifen hervor, mit denen wir Kirans Arm verbunden hatten. »Ich verbinde dir die Augen und führe dich den Rest des Weges. Es ist nur noch eine Viertelmeile.«
    Wortlos beugte er den Kopf. Ich band einen Knoten und nahm ihn beim Arm. Seine Muskeln zitterten unter meiner Berührung, aber er folgte mir ohne Zögern.
    Die Hütte hatte ich mal vor zwei Jahren auf dem Weg zum Bärenfang-Kar entdeckt. Sie war offensichtlich aufgegeben worden. Das Dach war halb eingefallen, und in einigen Wänden fehlten Holzlatten. Mir war schleierhaft, wieso jemand auf halber Höhe einer Schlucht eine Hütte bauen sollte, aber da die Vorratskammer robust und unbeschädigt war, stellte sie für mich ein gutes Versteck für Proviant und Ausrüstung dar.
    Kiran strich mit der Hand über die Hüttenwand, als ich ihn zur Tür führte, die an rostigen Angeln hing. »Sie ist ganz aus Holz gebaut?«, fragte er erstaunt.
    Ich hatte vergessen, dass er aus einer Großstadt stammte. »Weil das hier reichlich vorhanden ist.«
    »Schade. Stein hätte ich vielleicht mit dem Amulett verbinden können   …« Er seufzte schwer.
    »Höhlen gibt es hier nicht.« Nicht dass ich scharf darauf war, mich schon wieder in einer Höhle zu verstecken.
    Wir fuhren beide erschrocken zusammen, als ich die Tür aufzog, denn sie quietschte wie ein Hase in den Krallen eines Habichts. Ich half Kiran in das dunkle staubige Innere. Der Hauptraum war mal zwanzig Fuß lang gewesen, aber da ein Teil des Daches eingestürzt war, halbierte sich der Platz. Ich zog Kiran in eine Ecke und trat Mäuseköttel beiseite. »Setz dich hin. Es ist zwar nicht bequem hier, aber windgeschützt und trocken. Ich stelle deinen Rucksack neben dich.«
    Vorsichtig ließ er sich am Boden nieder und zog die Knie an die Brust. Er neigte mir blind das Gesicht zu. »Beeil dich. Bitte.«
    »Ich mach so schnell ich kann«, versprach ich und ging zur Vorratskammer. Sein Kopf folgte meinen Bewegungen. Sein verzweifeltes Hoffen bedrückte mich. Zur Hölle mit ihm, er war ein Blutmagier, kein verängstigtes Kind. Er brauchte meinen Schutz nicht.
    Die Vorratskammer war mit einem bärensicheren Riegel versehen. Ich musterte kurz den Inhalt meines Rucksacks und warf unseren Proviant und alles, was nicht zu meiner Tarnung als Schürfer passte, in ein Fach der Kammer, verriegelte sie wieder und rief Kiran zu: »Dann bis morgen Vormittag.« Ich wartete nicht auf Antwort, sondern sauste aus der Hütte und in den Wald wie ein freigelassenes Frettchen.
    Meine Nervosität legte sich ein wenig, während ich Felsen hinuntersprang und im Zickzack durch die Bäume lief. Mir war gar nicht aufgefallen, wie sehr mich Kirans Langsamkeit gestört hatte. Er konnte nichts dafür, aber bei den Göttern, es tat gut, endlich gehörig voranzukommen. Als ich am Grund der Schlucht ankam, stand die Sonne noch eine Handbreit über dem Abhang.
    Ein Trampelpfad führte an verstreuten Holzhütten vorbei, die sich unter schlanken, süß riechenden Siruptannen und mächtigen Zinnoberkiefern duckten. Alathern war es eigentlich nicht erlaubt, diesseits der Grenze zu siedeln, aber König Arkenndren machte sich nicht die Mühe, am äußersten Rand des Landes das Gesetz durchzusetzen, und den alathischen Rat interessierte nur, ob seine eigenen rigiden Bestimmungen beachtet wurden. Wenn ein paar Eigenbrötler und Einzelgänger unbedingt hinter der Grenze leben wollten, war der Rat froh, sie los zu sein.
    Die meisten Hütten waren verriegelt und verlassen. Nachdem der Schnee geschmolzen war, hatten sich die Bewohner wohl zum Jagen oder Angeln oder Schürfen aufgemacht. Ich merkte mir, vor welchen Hütten Pferde grasten und wo Rauch aus dem Kamin aufstieg. Auf dem Rückweg würde ich jemanden finden müssen, der mir einen Karren lieh.

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