Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
Amulett um den Hals nach Arkennland zurückkehren, durchs Gebirge nach Ninavel wandern und Melly auslösen.
Ein grimmiges Lächeln erschien in Gerrans Gesicht. »Kein Grund, nervös zu werden. Du hältst dich an meine Lieferanweisungen und gehst als gesunder Mann von hier weg, genau wie vereinbart. Bren und ich stehen immer zu unserem Wort.«
In gewisser Hinsicht stimmte das wohl. Was die Bezahlung anging, war Bren aufrichtig, und darum hatte ich für ihn gearbeitet. Gerran war sauer, weil ich ihm neue Bedingungen aufzwang, also würde er mich wohl nicht beseitigen lassen, sonst hätte er anders reagiert. Trotzdem schmeckte es mir nicht, dass ich seine Absichten hinsichtlich Kiran nicht kannte, und ich traute ihm nicht.
Allerdings war es nicht gut, ihn sauer zurückzulassen. »Eines solltest du noch wissen«, sagte ich. »Das mit der Lawine war keine Übertreibung. Wir haben fünf Wagen verloren, alle vom Haus Horavin. Ich schätze, es hat den Konvoi zwei Tage gekostet, die Straße freizuschaufeln. Wie lange sie noch von dem aufgebrachten Blutmagier oder dessen Schneesturm aufgehalten wurden, kann ich natürlich nicht sagen. Aber rechne mal mit einer Woche Verzögerung, bis der Konvoi hier eintrifft. Vielleicht sogar mehr.«
Gerran zog die Brauen hoch und nickte. Das Wissen über die Verzögerung und Horavins Verluste bescherten ihm einen gewissen Vorteil gegenüber den anderen Zwischenhändlern.
Sofern der Konvoi überhaupt nach Kost gelangte. Ich hegte noch immer die dunkle Angst, Ruslan könnte sich nicht darauf beschränken, nur für seine Zauber ein paar Leute zu töten. Auch die wenigen waren mir schon zu viele. Wieder schickte ich ein Stoßgebet an Suliyya, sie möge Cara beschützen.
Gerrans Türsteher brachte mich wortlos nach draußen. Nur die hellsten Sterne schimmerten durch die Rauchschicht über der Stadt. Widerlich. Allerdings hätte Kiran die klare Bergluft sicher gern zugunsten dieser aufgegeben.
Ich sah ihn vor mir, wie er ängstlich verkrampft in der Hütte hockte, und schob das Bild gleich leise fluchend beiseite, als mich mein Gewissen stach. Verflucht noch eins, es war Mellys Schicksal, worum ich mich zu kümmern hatte, nicht Kirans. Ich hatte ihm schon klargemacht, dass er in Alathien auf sich allein gestellt sein würde. Ich hatte wahrlich genug Risiken auf mich genommen.
KIRAN
Das war die längste Nacht seines Lebens gewesen. Nachdem es dunkel geworden war, war es in der Hütte stockfinster. Es raschelte und scharrte an den Hüttenwänden und klang viel zu laut für gewöhnliche Nager. Immer wieder bildete er sich ein, verstohlene Schritte zu hören, während der Wind durch die Kiefern heulte.
Noch mehr setzte es ihm zu, wenn die Dunkelheit kaltemmagischen Licht wich und er Wald unter sternklarem Himmel sah. Das tastende, suchende Zupfen in seinem Geist wurde mit jeder Vision stärker, und schließlich spürte er es permanent, selbst wenn er nur seine eigene Umgebung sah. Aus seiner Ikilhia wob er frustrierend schwache Abwehrzauber und betete, Dev möge rechtzeitig zurückkommen.
Einmal sah er nicht nur eine fremde Landschaft, sondern eine graue Gestalt unter einem Baum, die sich zu ihm umdrehte und ihr Gesicht zeigte: Mikails gleichmütige Miene. Sein Mund bewegte sich, aber Kiran konnte nicht lippenlesen. Mikails Finger leuchteten grünlich, und er gab ihm damit Zeichen. Das Bild verschwand so plötzlich wie die anderen Visionen auch, und Kiran starrte mit Herzklopfen in die Dunkelheit.
Mikail war offenbar angewiesen, die Reise zu beschleunigen, während Ruslan sich darauf konzentrierte, einen Fehler in Kirans Schutzzauber zu finden. Mikail, immer so verlässlich, so gehorsam … Kiran barg das Gesicht in den Händen. Warum war er so blind gewesen und hatte Mikail für einen Verbündeten gehalten? Finstere Erinnerungen stiegen in ihm auf.
»Bruder«, flüsterte Mikail. »Bist du wach?«
Zögernd hob Kiran den Kopf vom Steinboden. Seine Augen fühlten sich heiß und verklebt an, seine Kehle wund. Mikail stand dicht vor den dunkelrot leuchtenden Schutzzeichen, die Kiran umgaben.
»Du siehst schrecklich aus«, sagte Mikail. Er bückte sich und schob ein seidenes Päckchen über die verschnörkelten Linien auf dem Boden. Sie flackerten auf und beruhigten sich wieder. »Ich habe dir etwas zu essen gebracht.«
Bei dem warmen Buttergeruch des Kallasbrotes drehte sich ihm der Magen um. »Ich will es nicht«, sagte Kiran heiser.
Mikail seufzte. »Ich hätte wohl Wasser mitbringen
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