Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
wieder bereit. Wenn das überhaupt möglich war, war es stiller als gestern.
Gewiss musste es Femris überraschen, dass der Heermeister von Ardig Hall sich schon nach wenigen Stunden zum nächsten Angriff bereit machte, denn inzwischen dürfte er die normalerweise Tage dauernden, aufwändigen Bestattungszeremonien der Menschen kennen. Und sicherlich verfluchte er den Bepheron, seinen Heermeister, der mit seinem Speerwurf den Fürsten verfehlt hatte und dann auch noch gefallen war, wohingegen Ardig Halls Heermeister immer noch aufrecht stand.
Noïruns Züge entgleisten kurz, als er auf das Pferd zuschritt, das er heute reiten würde. »Dieser verrückte Hengst«, murmelte er. »Schon in Lingvern hat er mich begleitet. Er fehlt mir, verflucht noch mal, und allein dafür werde ich dem verdammten Mistkerl Femris den nächsten Speer in seinen ungewaschenen Hals jagen!«
Rowarn, der neben ihm Windstürmer sattelte, bemerkte vorsichtig: »Du solltest nicht gehen.«
Noïrun stieß einen trockenen Laut aus. »Rowarn, nichts und niemand auf der Welt kann mich daran hindern, wieder in die Schlacht zu ziehen. Aber ich verspreche dir, ich werde nicht direkt eingreifen ... zumindest nicht so schnell, sondern zunächst als Heermeister aus dem Hintergrund meine Befehle geben, bis ich gesehen habe, wie sich alles entwickelt. Eine neue Strategie habe ich nicht, ich muss also ganz genau beobachten und spontan entscheiden. Daher kann ich zunächst gar nicht kämpfen. Und du wirst an meiner Seite bleiben, um mich zu beschützen.«
Darauf fiel der junge Ritter nicht herein. »Damit willst du wohl eher auf mich aufpassen, damit ich keine Dummheiten mache.«
»So ist der Handel«, sagte Noïrun ruhig. »Entweder wir halten uns beide raus, oder keiner von uns.«
Rowarn schwang sich in den Sattel und sah sich unwillkürlich nach Morwen um, bis ihm einfiel, dass sie nie mehr dabei sein würde. Er war wütend, weil er sie vermisste. Sie hatte ihren Weg gewählt und war auf die Weise gestorben, die sie sich gewünscht hatte. Und der Ausgang der Schlacht gestern war allein ihr zu verdanken, sie hatte das Heer angeführt, nachdem der Fürst das Bewusstsein verloren hatte. Ganz die Tochter ihres Vaters. Noïrun hatte jeden Grund, auf sie stolz zu sein, und sie bekam gewiss einen Ehrenplatz in der Halle der Krieger. Ein großer Tod, der ganz sicher nicht umsonst war.
Beide Heere bezogen an der magischen Grenze Stellung und musterten sich, heute sehr viel eindringlicher und keineswegs mehr so selbstbewusst wie gestern. Es hatte sich gezeigt, dass Ardig Halls Truppen an Zahl zwar geringer waren, aber keinesfalls schwächer. Sie glichen den Nachteil durch strategische Vorgehensweise und perfektes Miteinander aus. Und Femris’ zahlenmäßiger Vorteil war zudem noch kräftig dahingeschwunden.
Inzwischen schien die Sonne mit voller Kraft, der Wind hatte sich gelegt, und die Luft erwärmte sich rasch. Aber der Boden war immer noch feucht, eine Matschgrube aus Braun und Rot, die schreckliche Spuren der Verwüstung zeigte. Nachdem alle Gefallenen von beiden Seiten geholt worden waren, erinnerte dies alles Rowarn stark an seine Vision auf dem Titanenfeld, und fast erwartete er, die Eliaha zu sehen. Doch hier konnte sie ihn nicht erreichen; und er lernte langsam, ihr zu entgehen.
Länger als gestern verharrten die feindlichen Heere voreinander. Ardig Hall musste den ersten Schritt tun, die anderen konnten die Schwelle nicht überschreiten. Und genau das schien der Fürst zu genießen, der ein gutes Stück hinter dem Heer, in der Nähe des Lagers, Stellung bezogen hatte. »Ich habe Zeit«, bemerkte er. »Sollen sie unruhig werden. Wir haben sie gestern fast geschlagen, und sie wissen nicht, ob wir noch etwas in der Hinterhand haben.« Plötzlich hob er den Kopf und lauschte. »Hörst du das auch?«, fragte er Rowarn.
Rowarn tat es ihm gleich und nickte. »Es donnert ...«
Ein fernes, düsteres Grollen, obwohl der Himmel wolkenlos war, so weit das Auge reichte. Dann donnerte es lauter, und es wetterleuchtete am nordöstlichen Horizont. Rowarn überlief ein eiskalter Schauer, als er hohe, schrille Schreie hörte. Sehr fern, doch markerschütternd. Er hatte noch nie so schreckliche Schreie gehört, die durch Mark und Bein gingen und die Knochen eiskalt werden ließen.
Der Fürst wurde blass. »Donnervögel ...«, flüsterte er.
Olrig, der neben ihm gerade seine Axt mit einem Schleifstein behandelte, hielt inne. »Was?« Seine Augen suchten den
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