Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
sich der Schmerz wohl anfühlt, wenn der Zahn splittert und ich den Rest herausschneiden muss?« Rowarn wusste die Antwort bald darauf, doch er konnte sie nicht aussprechen.
Einmal, als Rowarn ganz sicher war, nun jeden Schmerz der Welt zu kennen, öffnete Heriodon seine Bauchdecke um eine Fingerlänge, zog ein bisschen und zeigte dem Gefolterten ein Stück seiner Eingeweide, erklärte ihm ausführlich, was gerade darin vor sich ging. Das Blut fing er in einer Schale auf und versprach sich davon ein vollmundiges Mahl.
Jetzt ist es endlich soweit , dachte Rowarn in diesem Moment, ich darf sterben . Doch Heriodon ließ nicht zu, dass sich das Bewusstsein des jungen Mannes davonschlich. Mit derselben Sachkundigkeit, mit der er seinen Körper zerstückelte, hielt der Graue sein Opfer am Leben und heilte es, vernähte die Wunden, verabreichte Salben und Kräuter. Während Rowarn im Genesungsschmerz vor sich hindämmerte, kümmerte der Graue sich geradezu zärtlich um ihn. Bevor er mit dem Schneiden im Gesicht begann, presste er seine Hand plötzlich an Rowarns Genitalien und liebkoste sie mit schmerzhaftem Druck. »Falls du Sorge hast, dass du diese Lustspender verlierst«, wisperte er an Rowarns Ohr, »das werde ich natürlich niemals tun, denn allzu köstliche Genüsse harren deiner noch, mein liebreizender Schüler ...«
Rowarn verlor jegliches Zeitgefühl. Er wusste nicht, seit wann er gefangen war, wie lange er schon durch das Scíanshàn der Schmerzen ging. Es gab nur noch Bewusstlosigkeit oder Pein, nichts sonst dazwischen. Die Angst beherrschte ihn ununterbrochen, sie verließ ihn nicht einmal für einen Atemzug.
Hoffnung gab es keine. Von außen drangen keine Geräusche herein, nicht das geringste Anzeichen, dass sich außer ihm und Heriodon hier noch anderes Leben aufhielt. Nicht in der Nähe dieser Kammer, jedenfalls. Es gab nur ihn und seinen Peiniger.
Aber so tief unten der junge Ritter sich auch wähnte, das Ende des Abgrunds war lange nicht erreicht. Es führte immer noch eine weitere Stufe hinab, in immer größere Schrecken.
Denn Heriodon war gar nicht allein. Er hatte eine Verbündete: In einer Ecke kauerte die Eliaha und wartete, mit schwarz gebleckten Zähnen und rasselnd keuchendem Atem. Als Rowarn sie bemerkte, gab er sich auf.
Nun wusste er mit untrüglicher Sicherheit, dass er niemals entkommen konnte. So weit er inzwischen auch gereist war, sie spürte ihn immer auf. Rückte unaufhaltsam näher. Und wartete auf ihre Stunde. Die bald kommen würde.
Es war besser, nicht mehr dagegen anzukämpfen, sich nicht mehr zu wehren. Damit verlängerte er nur das Leid, aus dem es kein Entrinnen gab. Egal, was Heriodon nun anstellen mochte, es sollte das letzte Mal sein. Diesmal würde er entkommen, und zwar für immer.
Wimmernd lag er da, fühlte schon wieder den Schmerz nahen, der wie so oft ganz sanft begann, nicht mehr als ein sachtes Rütteln. »Weg!«, stieß er krächzend hervor. »Bitte, es soll aufhören ...«
»Rowarn«, erklang eine ferne Stimme, die tief in ihm nachhallte. Das Rütteln wurde stärker. » Rowarn !«
Es hörte einfach nicht auf. Rowarn fing an zu schreien.
... und schrie noch, als das Licht eines Sonnenstrahls in seine Augen stach. Über seinem Gesicht schwebte ein Helm mit gewaltigen gebogenen Widderhörnern. Rowarn hörte erst auf zu schreien, als der Visionenritter ihm eine kräftige Ohrfeige gab. Sein Kopf ruckte zur Seite, und die feine Haut auf Rowarns Oberlippe platzte auf. Warmes, bittersüßes Blut rann in seinen Mund.
»Nein ...«, winselte er.
»Junge, so komm doch endlich zu dir!« Angmors tiefe Stimme klang besorgt. Behutsam wischte er das Blut von Rowarns Lippe, dann packte er seine Schultern und schüttelte ihn leicht. »Das ist nicht wirklich, verstehst du? Du bist nicht dort. Er hat dich nicht in seiner Gewalt. Du bist im Wald, bei mir, und frei. Er ist weit fort und kann dir nichts tun. Erst recht nicht, solange ich bei dir bin.«
Rowarn blickte ihn durch den Schleier seiner Tränen an. Zaghaft wagte er zu begreifen. »Das hier ... ist wirklich? Kein Traum?«
Der Visionenritter nickte. Er setzte den jungen Ritter auf, lehnte ihn an sich und rieb mit schnellen, fließenden Bewegungen seine Hände, dann seine Brust. »Dein Herz hat schon fast aufgehört zu schlagen. Du musst jetzt wach bleiben, Rowarn, sonst wirst du sterben. Noch einmal kann ich dich nicht zurückholen. Darum musst du jetzt fest daran glauben, dass dies hier die Wirklichkeit
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