Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
undurchdringlicher Miene auf seinen Stuhl und erteilte Angmor das Wort.
Graum stieß ein warnendes Maunzen aus. Er ahnte wohl schon, was kommen sollte.
Aber Angmor ließ sich nicht mehr aufhalten. »Vor über siebenhundert Jahren erhielt ich die Weihe zum Visionenritter und war damit ein Mitglied des Ordens«, fing er an.
Viele Anwesende nickten. Dies war den meisten von ihnen bekannt.
»Ich bin der Wächter von Ardig Hall, aber nicht erst seit meiner Weihe, sondern schon vorher, als die Königin noch ein Kind war. Ich war dort, als das Tabernakel zerbrach und Ylwas Mutter starb, und ich verpflichtete mich von dem Zeitpunkt an zum Dienst an Ardig Hall.« Angmor bewegte den Kopf über die Runde. »Vor etwa achtzig Jahren, als Femris das letzte Mal niedergeworfen wurde, verschwand ich, und die meisten hielten mich für tot. Als ich nun zurückkehrte, haben einige alte Freunde von damals, darunter du, Olrig, und sicherlich auch du, Tamron, sich gefragt, wo ich die ganze Zeit gewesen war.«
»Das kann man wohl sagen«, brummte der Kriegskönig.
Tamron schwieg.
»In den letzten zwanzig Jahren war ich bei meinem Volk, um dort einige Angelegenheiten zu regeln«, erklärte Angmor weiter.
Der Schattenluchs miaute lauter. Er wand sich, schien kurz davor, sich zu verwandeln. Rowarn sah seine Gestalt flackern.
»Still, Graum«, sagte Angmor zu seinem treuen Gefährten. »Wir bringen das jetzt hinter uns. Rowarn hat recht.«
Der Schattenluchs knurrte, sein Nackenfell war gesträubt. Seine Augen flammten. Aber er fügte sich und kauerte sich gehorsam neben seinen Herrn.
Einige Augenpaare richteten sich neugierig auf Rowarn. Er sah, dass die Anwesenden die Spannung kaum mehr ertragen konnten.
»Aber die rund sechzig Jahre davor«, setzte Angmor nahtlos an seine letzte Ausführung an, »war ich in Ardig Hall.«
Olrigs Unterkiefer klappte herunter. »Die Tore von Ardig Hall waren doch seit dem letzten Krieg verschlossen ...«
»Aus gutem Grund«, bestätigte Angmor. »Weil niemand erfahren sollte, dass ... Ylwa und ich zusammenlebten.« Er wies auf Rowarn. »Und Rowarn ist unser gemeinsamer Sohn.«
Man hätte eine Feder zu Boden fallen hören können in dieser gelähmten Stille, die auf Angmors Bekenntnis folgte. Niemand regte sich. Sprachlosigkeit, Unglauben lag auf allen Gesichtern. Viele blickten verwirrt von Angmor zu Rowarn. Eine Legende ging in Trümmer – die der ewigen Jungfrau von Ardig Hall. Und eine weitere über den unnahbaren Visionenritter, den man den Waldlöwen nannte.
»Ich wusste nicht, dass ich einen Sohn hatte«, sprach Angmor weiter, »bis zu dem Zeitpunkt, als Rowarn sich mir als Ylwas Sohn offenbarte, weil er auf meine Hilfe hoffte, Tamron zu finden – der ihm wiederum versprochen hatte, bei der Suche nach Nachtfeuer behilflich zu sein. Natürlich traf es mich wie ein Schock, umso mehr, da eine schreckliche Ironie in dieser Geschichte liegt. Denn Nachtfeuer ... hat Ylwa nicht ermordet, sondern ein Similu, ein Schattenbild, das Femris ausgesandt hatte. Er wollte damit den Verrat des Dämons an ihm rächen.
Nachtfeuer hatte einst beim Bruch des Tabernakels den Auftrag erhalten, das Kind Ylwa zu töten. Stattdessen aber hat er es beschützt und dem Zugriff von Femris entzogen. Das hat Femris dem abtrünnigen Dämon nie verziehen, und als sich ihm die Möglichkeit bot, schickte der Unsterbliche den Similu, der vollendete, was ... ich achthundert Jahre zuvor nicht fertiggebracht hatte.«
Und mit diesen Worten nahm Angmor den Helm ab und zeigte allen sein wahres Gesicht.
Nun stockte der gesamten Versammlung der Atem vor Entsetzen. Immer noch fiel kein einziger Laut ihrerseits, und sie standen und saßen wie zu Statuen erstarrt.
»Und dies ist die Wahrheit«, schloss Angmor. »Ich bin Nachtfeuer, und ich bin der Letzte der Visionenritter, im Dienst von Ardig Hall, und nun im Dienst meines eigenen Sohnes, des Erben der Nauraka, der aufgrund seiner Herkunft auch der Zwiegespaltene ist. Mit dieser Offenbarung breche ich den heiligen Eid des Ordens, der mich zum Schweigen über meine Herkunft verpflichtete, doch da ich der Letzte bin, nehme ich die Schuld dafür auf mich. Ich tue dies, weil ich alle Kräfte brauche, um gegen Femris vorgehen zu können und meinem Sohn zu seinem rechtmäßigen Erbe und seiner Bestimmung zu verhelfen, und das gelingt nur mit dem bedingungslosen Vertrauen unserer Freunde, Gefährten und Mitstreiter. Ihr habt ein Anrecht darauf zu wählen, ob ihr mit diesem Wissen
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