Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
wieder etwas klarer wurden, wenngleich er sich noch recht merkwürdig fühlte. Er grinste erleichtert. Dann sah er sich erschrocken um.
»Der ... der Löwe ...«
»Löwe? Was redest du?«, unterbrach Olrig, schüttelte ihn noch einmal und hielt ihn fest, als er umzufallen drohte. »Was hat das alles zu bedeuten, Junge? Zuerst fällst du in diese Schlucht, dann findet uns Windstürmer allein ...«
»Ein-ein Wallöwwe. Undda war Femris«, lallte Rowarn, während er sich wie ein Betrunkener torkelnd von Olrig zu den Pferden ziehen ließ. Fahrig winkte er Windstürmer, der neben dem Schimmel stand und ihm zuwieherte. Und er hatte sogar einen Zwillingsbruder bekommen. Auf welchen sollte Rowarn jetzt aufsteigen?
»Was faselt er da?«, erklang Graums Stimme hinter ihm.
»Er fantasiert, das ist das Gas«, brummte Olrig. »Hilf mir mal.«
Gemeinsam hievten sie Rowarn in den Sattel, und er klammerte sich instinktiv am Vorderzwiesel fest. »D-der Löwe ...«
»Kein Löwe, kein Femris, aber bald Dunkelheit, also reiß dich zusammen!«
»Hörte ich vor kurzem: ›Ich kann selbst auf mich aufpassen‹, das waren doch seine dreisten Worte, nicht wahr?«
»Sieh zu, dass er nicht runterfällt, ich nehme Windstürmer als Handpferd mit. Und dann nichts wie raus hier, wir haben schon genug Zeit verloren. Pfui, das wird eine kalte Nacht.«
Etwa zwei Stunden später lagerten sie in einem kleinen Wäldchen; es war längst dunkel, ein Feuer brannte, und Rowarn hatte bei einer Tasse kräftigem Schwarztee mit Pfefferwurzel seinen Verstand wiedergefunden. Olrig hatte einige Erklärungen gefordert. Viel wusste Rowarn nicht zu berichten, er konnte sich kaum mehr erinnern, was geschehen war, und alles kam ihm inzwischen selbst wie ein Traum vor. Möglicherweise hatte er bereits bei Windstürmers Flucht das Bewusstsein verloren.
Wie es aussah, hatte Windstürmer einen Ausgang aus der Schlucht gefunden und war zu Olrig und Graum gelaufen. Sie hatten sich eilig an den Abstieg in die Schlucht gemacht, als das Getöse des zweiten Einsturzes sie auf die richtige Spur brachte. Das Gebrüll des Löwen wollten sie nicht gehört haben, aber das war für Rowarn kein Beweis, dass er geträumt hatte.
»Wir hatten schon Angst, du wärst verschüttet worden«, erklärte Olrig.
»Wie konnte das überhaupt passieren, Rowarn?«, fragte Graum. »Warum bist du nicht einfach unserer Spur gefolgt?«
»Ich dachte, das wäre ich. Aber es waren längst keine Spuren mehr zu sehen.«
»Mit dir zu reisen ist ein Abenteuer, Junge«, seufzte der Kriegskönig und stopfte sich eine Pfeife. Kopfschüttelnd zog er Umhang und Decke fester um sich und rückte näher ans Feuer. »Wenigstens ist dir nichts geschehen.«
Rowarn war sich da nicht so sicher. Er musste die ganze Zeit an seine Begegnung mit Femris denken und die Worte, die dabei gefallen waren. Wenn dies alles nur eine Halluzination gewesen war, war sie dann Ausdruck seines Schuldgefühls? Hatte er doch verdrängte Zweifel an der Richtigkeit seiner Entscheidung? Und ... was hatte der Löwe damit zu tun? Rowarn rieb sich den Nacken, er glaubte immer noch, den Atem des Raubtiers zu spüren. Und er bildete sich ein, dass er nicht mehr an derselben Stelle gelegen hatte, als Olrig und Graum ihn fanden.
»Eines sage ich dir«, fuhr Olrig fort. »Sobald meine alten Knochen zu sehr schmerzen, reiten wir weiter, und wenn es mitten in der Nacht ist.« Ächzend rieb er sich die Schulter. »So hatte ich das jedenfalls nicht geplant.«
»Tut mir leid«, murmelte Rowarn beschämt.
Ohne weitere Zwischenfälle erreichten sie Eisenwacht. Die letzten beiden Nächte hatten sie auf gastfreundlichen Gehöften verbracht, deren Bewohner sich durch ihre Anwesenheit geehrt fühlten; die Reise des Erben von Ardig Hall nach Osten hatte sich schnell herumgesprochen. Olrig wunderte sich deshalb darüber, dass nicht schon längst Verfolger hinter ihnen her waren. Rowarn schwieg dazu, aber er kannte den Grund: Femris plante, dass Rowarn die Splitter für ihn holte, weil er selbst es nicht konnte. Je länger Rowarn über das Gespräch mit dem Unsterblichen nachdachte, desto mehr war er überzeugt, dass es tatsächlich stattgefunden hatte. Und umso bedrückter wurde er.
Staunend betrachtete Rowarn die Mauer, die sich plötzlich in der Landschaft erhob. Eisenwacht war ein legendäres Land, das schon seit Jahrhunderten dem wachsenden Machteinfluss Dubhans trotzte. Baron Solvan war ein Nachfahre kampflustiger Raubritter, die irgendwann
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