Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
Es war an der Zeit, sich vorzubereiten, und er folgte Arlyns Rat, sich nicht den Kopf zu zermartern, sondern die Gedanken einfach fließen zu lassen und die Strömungen um sich herum in sich aufzunehmen. Tatsächlich fand Rowarn schließlich Gelassenheit, und die Angst fiel endlich von ihm ab. Er musste es geschehen lassen. Der Weg würde sich finden. Nicht umsonst hatte Fürst Noïrun ihn damals, als er kaum zum Ritter geschlagen war, in ein Freies Haus mitgenommen, um ihm zu zeigen, welche Macht diesen magischen Orten innewohnte.
Darüber schlief Rowarn schließlich tief und traumlos ein und erwachte noch vor dem Morgengrauen ruhig und erholt. Er spürte, dass es die Kalte Stunde war, und lauschte eine Weile in die Stille um sich. Nicht einmal eine Holzbohle knarzte, was bei einem Haus wie diesem eigentlich unmöglich war – nur nicht in dieser Stunde. Da war wohl selbst hier drin die Welt erstarrt.
Arlyn schlummerte tief, ihr Atem ging regelmäßig und ruhig. Rowarn spürte ein letztes Mal ihre samtweiche Haut und Wärme an sich, bereits jetzt voller Sehnsucht. Flüchtig streifte er mit seinen Lippen ihre Stirn; sie erwachte auch jetzt nicht. Auf ihrem Mund lag ein stilles Lächeln, sie sah gelöst und glücklich aus.
Behutsam löste Rowarn sich von Arlyn, zog die Decke über ihr zurecht, die noch seine Wärme und seinen Geruch trug, und stand auf. In aller Eile wusch er sich, legte die einfache Reisekleidung an, die er für diese Fahrt mitgenommen hatte, nahm dazu einen grob gewebten Umhang, Waffen und seinen Reisebeutel und verließ die kleine Kammer. Leise schloss er die Tür, horchte noch einmal auf die unveränderte Stille im Zimmer, dann gürtete er sich und warf sich den Umhang über. Den Helm, das Schwert Luvian und den königlichen Umhang ließ Rowarn bei Arlyn; er ging schließlich als Bittsteller, nicht als Herrscher.
In der Gaststube herrschte Dämmerlicht aus trüben Öllampen. Irgendwo weiter unten klapperte Geschirr, und vereinzelte Stimmen murmelten. Die Bediensteten räumten wohl auf, und vielleicht waren auch noch ein paar späte Gäste da. Bald würde der normale Betrieb wieder losgehen, sobald die Frühe Stunde anbrach.
Es war Zeit, zu gehen. Rowarn wusste Arlyn in Sicherheit – und für ihn selbst war es ein Trost, dass sie hier auf ihn warten würde. Das Band zwischen ihnen würde ihm ein Halt sein, wenn er dort draußen durch unbekanntes Land wanderte, und ihn davor bewahren, den Weg zu verlieren; es würde ihm helfen, wieder zurückzufinden. Arlyns Licht würde ihn immer begleiten, ihm wie die Sonne am Himmel den Weg weisen.
Rowarn atmete tief durch und schulterte seinen Beutel. Dann schritt er auf die Tür am Ende des Gangs zu, öffnete sie und ging hindurch.
Der Morgen erwartete ihn dort draußen bereits, wolkenverhangen und grau. Eine vom Winter ausgetrocknete Steppe breitete sich vor ihm aus, ein raues Land, mit windzerzausten, kahlen Bäumen, Heidekraut, Dornbüschen und vielen ausgetrockneten Bachläufen, die tiefe, rissige Furchen ins müde Antlitz des Landes gegraben hatten. Der Horizont wurde von einem gewaltigen Gebirgszug beherrscht. Manche der schroffen und spitzen Gipfel schimmerten weiß, andere waren schattendunkel. Rowarn wurde klar, wo er sich befand. Er hatte von diesen Ländern im Norden gehört, in Erzählungen der Muhmen und von dem einen oder anderen Händler, und in so manchem Teppich Schneemonds waren die Tiere zu finden, die er nun vor Augen hatte.
Als er sich umdrehte, war das Freie Haus nicht mehr zu sehen. Er war nicht überrascht, etwas Ähnliches hatte er sich schon gedacht. Schließlich sollte es vorwärtsgehen, ohne einen Blick zurück. Rowarn zog den Umhang vorn zu, als ihm ein kalter Wind von der Steppe entgegenblies. Eine freundliche Einladung war das nicht. Langsam setzte der junge Mann Fuß vor Fuß, er folgte einem schmalen Tierpfad, immer Richtung Norden. Im Osten war der Himmel noch dunkler und drückte schwer hernieder, gelegentlich zeigte sich ein rötlicher Schein am unteren Wolkenrand. Ganz im Westen, weit entfernt, lag Inniu, versteckt hinter einem anderen Gebirgswall. Dort war der Himmel freundlicher und offener und schien dem Boden nicht so nah.
Aber dorthin führte kein Weg, nicht jetzt. Weideling und die vertrauten Spielplätze der Kindheit waren unerreichbar fern. Weiter ging es, hinein in das unwirtliche Land. Selbst auf weite Entfernung waren keine Rauchsäulen von Behausungen erkennbar, es gab keine Karrenwege oder
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