Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
das letzte Mal sah, wart Ihr ein mageres kleines Mädchen, still und verschlossen, mit den traurigsten Augen der Welt. Nun seht, was aus Euch geworden ist! Die Barden werden Euch nicht annähernd gerecht. Ist das Euch zu verdanken?« Er wandte sich Rowarn zu. »Es ist mir eine Ehre, Euch in meinem Haus begrüßen zu dürfen, edler König von Ardig Hall. Euer Ruf eilt Euch schon weit voraus.«
»Alles Übertreibungen«, wehrte Rowarn murmelnd ab, an solche Aufmerksamkeit konnte er sich noch nicht gewöhnen. »Im Augenblick bin ich nur ein König ohne Thron.«
»Ihr wisst, weswegen wir hier sind?«, fragte Arlyn.
»Gewiss, und ich habe schon alles vorbereitet. Folgt mir bitte.« Ulram der Leutselige ging voraus, und das Paar folgte ihm durch eine verwirrende Vielzahl von Gängen, über Stufen, Brücken und Stiegen, bis er schließlich, abseits von allem Trubel, vor einer Nische an einer Wand verhielt, direkt an einem Fenster gelegen. Der Ausblick von hier oben zeigte die Straße in Richtung Süden, man sah weit übers Land.
In dieser Nische befanden sich ein Tisch und zwei mit Kissen ausgelegte Sitzbänke, in der Wand war eine Tür eingelassen, auf die der Wirt deutete. »Hier nebenan befindet sich eine Gästekammer für Euch. Der Diener hat Euer Gepäck bereits hineingebracht. Dort gibt es auch einen Baderaum. Ihr seid völlig ungestört in diesem Bereich des Gasthauses. Niemand außer zwei sorgfältig ausgewählten Dienern wird hierherkommen, dafür sorge ich.« Einladend wies er zum Tisch. »Bitte, nehmt Platz, ich lasse Euch sofort eine Auswahl an Speisen und Getränken bringen. Nennt Eure Wünsche, und sie werden erfüllt. Ich darf mich zurückziehen, wenn Ihr erlaubt.«
Rowarn nickte, während er den Umhang ablegte und die Handschuhe auszog. Langsam setzte er sich an den Tisch und ließ sich schweigend bedienen. Die erlesensten Genüsse wurden dargeboten, doch sie konnten seine Sinne kaum reizen, auch sein Magen war viel zu verkrampft, um sich darüber zu freuen. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Wie würde es jetzt weitergehen?
»Wir essen«, sagte Arlyn, als habe sie seine Gedanken gelesen. »Und dann werden wir ruhen, es wird bald dunkel. Die Reise beginnt erst morgen. Du kannst dich in Ruhe darauf vorbereiten, heute Nacht. Gehe in dich und konzentriere dich auf deine Aufgabe.«
»Sicher«, sagte Rowarn, blass vor Angst. Er hatte das Gefühl, als wären tausende von Augen auf ihn gerichtet. Das ganze Land wartete darauf, was er tun würde. Und er wusste es nicht. In Märchen wie der Blauen Rose schien immer alles ganz einfach zu sein, die Helden zogen los und erfüllten ihre Pflicht.
Eine Weile lauschte Rowarn den gedämpften Geräuschen, die von unten herauf schallten. Es schien so, als würden alle Gäste bestens unterhalten und hätten keine Sorgen. Die Stimmen klangen heiter und ausgeglichen, begleitet von leisen Musiktönen. Wie gern würde er dazugehören, unbeschwert und unwissend.
Und er konnte nicht einmal darauf hoffen, dass es jemals so sein würde. Seine unbedarfte Jugend lag für immer hinter ihm, und vor ihm lag ein Weg der Verantwortung, mit Entscheidungen, die weitreichende Auswirkungen haben würden. Wie einfach war sein Leben als Knappe noch gewesen! Als er noch nicht einmal gewusst hatte, dass er zur Hälfte Dämon war. Eine unberechenbare Hälfte, die er möglicherweise nicht kontrollieren konnte. Konnte es Femris? Wie oft würde der Unsterbliche Rowarn noch heimsuchen? Hatte er die Kraft, dem Mächtigen zu widerstehen?
Als Rowarn endlich etwas essen konnte, war es bereits dunkel. Wie der Wirt versprochen hatte, verirrte sich niemand in diesen abgeschiedenen Winkel, und das junge Paar war ganz für sich. In der Sicherheit des Freien Hauses, abseits aller Augen und Ohren; denn selbst in Farnheim waren die Wände dünn und vor allem die Herrin unter stetiger Beobachtung.
Sie unterhielten sich über viele Dinge, lernten sich auf diese Weise ein wenig mehr kennen, denn sie wussten noch so wenig voneinander. Doch Rowarn stellte fest, je besser er Arlyn kennenlernte, desto tiefer liebte er sie. Er hatte das Richtige getan, und es war gut, dass er nicht gewartet hatte. Wer wusste schon, was auf sie zukam, wie viel Zeit ihnen blieb.
Als sie schließlich zu Bett gingen, liebte Rowarn seine Königin mit einer Zärtlichkeit und Innigkeit, die seiner Angst entsprang, es wäre das letzte Mal.
Er wartete, bis sie in seinen Armen eingeschlafen war und versenkte sich dann in die Tiefe Ruhe.
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