Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
Zwergenläufer zitterte vor Zorn, doch er beherrschte sich.
Rowarn blickte sich um. Normalerweise wäre es ihm ein Leichtes gewesen, die beiden Wachen zu überwältigen, Gomwei niederzuschlagen und Mirella herauszuholen. Aber der Rückweg würde keineswegs so einfach sein. In hastigen Worten setzte er Pyrfinn seinen Plan auseinander. Er hatte unterwegs beim Umherspähen nämlich noch etwas entdeckt, das ihnen vielleicht dienlich sein konnte.
Die Morgendämmerung brach endgültig an, die Sterne über ihnen verblassten; noch wirkte die Welt farblos, solange die Sonne nicht die ersten Strahlen über den Horizont geschickt hatte. Das Zwielicht war perfekt hier im Tal, ohne lange Schatten und Konturen.
Rowarn verließ seine Deckung und tauchte ins Zwielicht ein. Unsichtbar glitt er an den Männern vorüber; er war nicht besorgt, die Sinne der meisten Menschen waren für Magie nicht empfänglich. Nur wenige konnten die Aura anderer Wesen spüren. Wenn sie überhaupt einen leichten Luftzug fühlten, so schöpfte dennoch keiner Verdacht, denn soeben wehte die Morgenbrise ins Tal herein. Unbemerkt von den Wachen betrat Rowarn die Höhle.
Der Disput zwischen Gefangener und Entführer wurde unterdessen heftig und laut fortgesetzt. Rowarn bewunderte Mirellas Mut, aber sie hörte nicht auf, Gomwei zu reizen. Daher kam er gerade zur rechten Zeit, so wie es aussah, könnte es übel für die junge Zwergenfrau ausgehen.
Als der Ritter hinter Gomwei stand, fing Mirella auf einmal zu lachen an. »Du kannst mir gar nichts anhaben!«, rief sie. »Und ab jetzt rede ich kein Wort mehr mit dir.« Und dabei sah sie Rowarn direkt in die Augen.
Natürlich, hier in der Höhle herrschte durch den Fackelschein und die Schlagschatten nicht dasselbe Zwielicht wie draußen. Rowarn war sich dessen von vornherein bewusst gewesen, deswegen hatte er einen Moment abgepasst, als Gomwei dem Eingang gerade den Rücken zukehrte.
Aber der Mann war nicht dumm und reagierte sehr schnell, fuhr augenblicklich zu Rowarn herum. Damit hatte der Ritter jedoch gerechnet, er beging keineswegs den Fehler, den Anführer der Aalreiter zu unterschätzen. Bevor Gomwei einen Laut ausstoßen oder auch nur einen Arm heben konnte, hatte Rowarn ihn mit einem Griff und einem Beinhebel zu Boden geworfen, kniete sich auf seine Brust und hielt ihm das Messer an die Kehle.
»Kein Laut, oder du bist tot«, zischte er. »Glaub nicht, dass ich irgendwelche Skrupel habe, nur weil du mir lebend vielleicht nützlicher bist.«
Die dunklen Augen des Mannes waren geweitet, verwirrt starrte er Rowarn an und versuchte zu verstehen, was hier gerade passierte und wer der seltsame Fremde sein mochte, der eindeutig kein Zwerge war. »Wer …«, begann er, verstummte aber sofort wieder, als die scharfe Schneide seine Kehle anritzte und warmes Blut über seinen Hals rann. Sein Adamsapfel hüpfte hektisch auf und ab, und sein Körper erschlaffte.
»Schon besser«, murmelte Rowarn, stopfte Gomwei ein Stoffknäuel in den Mund und drehte ihn auf den Rücken, um ihn zu fesseln. Dann riss er ihm die Kopfbedeckung und die Fellkleidung herunter, bis auf die kurze Fellhose. Auf seine Rückendeckung musste Rowarn nicht achten, weil Pyrfinn die beiden Wachen draußen übernehmen würde, sobald sie aufmerksam würden. Doch bisher war alles so schnell und still vor sich gegangen, dass sie nichts bemerkt hatten. Befehlsgemäß war ihre Aufmerksamkeit nach außen gerichtet, auf die Vorgänge im Inneren sollten sie nicht achten.
»Wer bist du denn?«, flüsterte Mirella und zappelte aufgeregt auf ihrem Stuhl, soweit es die Fesseln zuließen.
»Ich bin Rowarn«, murmelte er, überprüfte Gomweis Fesseln und stand dann auf.
»Wa- … Der König von Ardig Hall? Was machst du hier?«
»Dieselbe Frage wollte ich dir gerade stellen: was macht ein anständiges Zwergenmädchen bei diesen streng riechenden Tiermenschen?«
»Darauf warten, von einem echten Helden befreit zu werden?« Sie kicherte, während er ihre Fesseln löste, rieb sich die Gelenke und stand ein wenig wacklig auf. Dann deutete sie auf Gomwei. »Was machen wir mit dem?«
»Den nehmen wir mit«, antwortete Rowarn. »Ich denke, dass dein Vater sicher ein Wörtchen mit ihm zu reden hat. Außerdem garantiert er uns den freien Abzug, denn ich kann niemanden ins Zwielicht mitnehmen. Wir werden also gleich entdeckt werden.« Er zog das Schwert, zerrte Gomwei hoch und hielt ihn vor sich, während er sich auf den Ausgang zubewegte. »Bleib hinter
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