Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
Dielen knarzten leise, doch Arlyn wachte nicht auf. Er steckte den Schmuckdolch zu dem Umhang und dem Helm, die bei seinem Schwert auf der Truhe lagen. Dann breitete Rowarn das Schultertuch darüber aus, legte das Ohrgehänge darauf und daneben den Tabernakelsplitter. Er setzte sich an den Tisch, zog die Nachtkerze näher zu sich, griff nach Pergament, Tinte und Feder und schrieb:
Meine verehrte Königin,
meine erste Fahrt war erfolgreich. Ich werde dir alles erzählen, wenn wir uns wiedersehen. Verzeih mir, dass ich es nicht aufschreiben kann, es ist einfach zu viel und mein Kopf immer noch zu voll. Verwirrt bin ich auch. Ich weiß nicht, ob ich das alles jemals verstehen werde.
Ich bitte dich, den Splitter für mich zu hüten, denn hier bei dir im Freien Haus ist er in Sicherheit, so wie du auch. Femris kann euch hier nicht erreichen, und wahrscheinlich kann er den Splitter auch nicht auf magischem Wege sehen und weiß nicht, dass wir ihn haben.
Die anderen beiden Dinge ... will ich dir schenken. Ich hoffe, ich beschäme dich nicht damit. Das Zeug ist nicht sonderlich wertvoll, und vielleicht habe ich auch einen schrecklichen Geschmack. Ich bin nicht sonderlich gut in diesen Dingen. Ehrlich gesagt habe ich einem Mädchen außer ein paar Wildblumen noch nie etwas geschenkt. Ich weiß, das kann man nicht vergleichen, denn du bist eine edle Frau und meine Gemahlin noch dazu. Aber selbst der wertvollste Diamant könnte dir nicht gerecht werden.
Ich bin kein geschickter Briefeschreiber. Ich würde dir gern ein Gedicht widmen, aber das hat mir ein Poet verboten. Viel lieber würde ich dich in meine Arme nehmen und lieben, aber das darf ich jetzt nicht. Ich muss weiterziehen.
Arlyn, du bist mir das Liebste auf der Welt. Du bist die Welt selbst, und deshalb darf ich sagen, dass ich das alles für dich tue.
Ich hoffe, du bist mir nicht böse, dass ich dich nicht geweckt habe. Aber ich habe Angst, dass du mir zürnst, weil ich das letzte Mal ohne Abschied gegangen bin. Und jetzt tue ich es schon wieder. Egal wie – ich könnte deinen Zorn niemals ertragen. Deshalb hoffe ich sehr, dass er wieder verraucht ist, wenn ich das nächste Mal zurückkehre.
Ich weiß, das Tabernakel ist das magischste Ding auf dieser Welt, alle Mächtigen wollen es in die Hände bekommen, und wahrscheinlich wird es irgendetwas im Ewigen Krieg bewirken, aber ... nichts kann so wertvoll und mächtig sein, wie du es für mich bist.
Da kämpfen sie alle in Dubhan und setzen ihr Leben ein, erleiden Schmerz und vergießen ihr Blut, und ich schreibe Liebesbriefe. Wie gut, dass Noïrun das nie erfährt. Oder, noch schlimmer, Angmor. Mir wird schon eiskalt, wenn ich nur daran denke.
Ich gehe jetzt. Schlaf wohl, mein Lieb.
Dein dich anbetender Rowarn
Rowarn wartete, bis die Tinte trocken war, las den Brief aber nicht noch einmal durch, denn sonst hätte er ihn bestimmt in die Glut des Kamins geworfen. Er schob das Pergament unter das Ohrgehänge. Dann ging er zum Bett, beugte sich über die schlafende Arlyn und berührte ihre Stirn ganz vorsichtig mit seinen Lippen, während er sie gut zudeckte. Sie erwachte auch jetzt nicht.
Dankbar, zwischen Glück und Schmerz hin und hergerissen, verließ Rowarn das Zimmer.
Lasst es geschehen , hatte Königin Esdrella gesagt. Ihr seid auf einer magischen Reise.
Damit brauchte er sich um Nahrung und Wasser keine Gedanken zu machen. Alles würde sich fügen. Denk nicht zu viel nach , hatten weise Leute immer wieder zu ihm gesagt, vor allem Arlyn, das würde er jetzt beherzigen. Er war gespannt, was dabei herauskommen würde.
Rowarn war nicht erstaunt, als er sich mitten im düsteren Osten wiederfand. Der Himmel hing hier schwer herab, beinahe nachtdunkel, obwohl die Sonne hoch im Zenit stand. Auch dies war eine Steppe mit kurzem und hartem Gras. Knorrige Bäume und große, in sich selbst gewundene Büsche durchbrachen die Eintönigkeit. Es sah nicht so aus, als ob es hier jemals Frühjahr oder Winter gäbe oder sonst eine Veränderung. Kein Tier zeigte sich, der Himmel war leer. Ab und zu kreuzten trockene Bachläufe Rowarns Weg, und er sah seltsame Krater, als ob einstmals riesige Steine hier heruntergefallen wären und sich dann in Luft aufgelöst hätten. Die Luft stand still, es war weder warm noch kalt. Rowarn brauchte eine ganze Weile, bis er erkannte, was ihn hier am meisten störte – es gab keinerlei Gerüche. Selbst ein Traum gaukelte Gerüche vor. Aber hier gab es kaum Farben, alles war fahl
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