Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
Zaum halten.
Eine Weile maßen sie sich schweigend. Zwei kleine Dämonen, die Rowarn gerade bis ans Knie reichten, rückten ganz nah an ihn heran. Der eine betatschte sein Bein, der andere schnüffelte mit ausgefahrener, feuchter Rüsselnase an seiner Hand.
»Was will er?«, quiekte der erste.
»Wo will er hin?«, krächzte der andere.
Zwei weitere Dämonen, die Rowarn um Haupteslänge überragten, kamen nun näher, griffen in seine Haare, wollten seine Zähne sehen, und sie bellten sich abwechselnd ihre Meinung zu, woraufhin die anderen jeweils Antwort gaben. Das Geschrei schallte bis zu den Vulkanhängen hinauf und löste eine zitternde Gerölllawine aus.
»Er riecht nach Güte!«
»Tötet ihn gnadenlos!«
»Er stinkt nach Mitgefühl!«
»Weidet es ihm aus!«
»Klar und rein ist seine Seele!«
»Verschlingt sie!«
So ging es eine ganze Weile, und Rowarn fühlte sich immer unwohler in seiner Haut, denn er merkte, dass sie es durchaus ernst meinten. Sie fingen an, laut darüber nachzudenken, auf welche Weise sie ihn am besten zu Tode bringen konnten und was sie anschließend mit Fleisch, Innereien und Knochen zu tun gedachten.
Doch plötzlich kreischte der eine der kleinen Dämonen auf, und der andere fuhr gleichzeitig seinen Nasenrüssel ein und sprang zurück.
»Was ist das? Was ist das?«, quietschte der erste.
»Lebensessenz ist es, die ich rieche!«, schnatterte der andere. Beide verschwanden augenblicklich, tauchten zwischen den vielen Dämonenbeinen hindurch und waren fort.
Einer der Großen wich verunsichert zurück. »Wie kann das sein? Seht doch, ein Fisch ist er, seine Haut!«
»Aber seine Augen! Seht seine Augen! Nur einmal gibt es solche Augen!«
Rowarn, der schon mehrmals versucht hatte, etwas zu sagen, schaffte es endlich, sich Gehör zu verschaffen. »Nachtfeuer ist mein Vater!«, schrie er. »Ihr seid ihm zur Gefolgschaft verpflichtet! Ihr dürft mich nicht anrühren!«
Nun wichen alle zurück und rissen die glühenden Augen auf.
»Das ist nicht wahr«, flüsterte einer, der wie eine Kreuzung aus Pferd und Salamander aussah. »Nachtfeuer hat keine Kinder. Er hat keine Dämonin je erhört!«
»Meine Mutter ist Ylwa, Königin von Ardig Hall, Letzte der Nauraka, die das Meer verließen, und Hüterin des Tabernakels!«, keuchte Rowarn. »Rührt mich an, und Lúvenors Fluch wird euch treffen!«
Sie zögerten nun deutlich. Die eintretende Stille war fast noch schmerzhafter als das markerschütternde Geschrei zuvor.
»Ein Bastard«, wisperte es dann aufgeregt um ihn. »Wie ist das möglich?« Und: »Es muss wahr sein. Nur der große Nachtfeuer vermag dies.«
Da kam Bewegung in die Reihen, jemand drängelte sich rücksichtslos durch, und Rowarns Herz rutschte ihm in den Magen, als ein schwarzer Dämon mit gewaltigen Stierhörnern, doppelt so groß wie er, auf ihn zutrat – Tracharh der Taur, Fashirhs Bruder. Sein langer Schwanz peitschte die Luft. »Was willst du?«, fauchte er.
Rowarn hatte geglaubt, dass Tracharh ihm auf der Stelle den Kopf abbeißen würde, die Größe seines Mauls hätte dazu gereicht, aber die Angst vor Nachtfeuers Rache hielt ihn wohl zurück.
»Von euch will ich nichts«, antwortete Rowarn. »Ich muss zu den Frauen. Den mit den Flügeln.«
Die anderen wichen zischend noch weiter zurück.
»Ein Verrückter!«
»Ein Wahnsinniger!«
»Niemand darf das Frauenreich betreten!«
»Kein Mann darf seinen Fuß dorthin setzen!«
»Erst recht kein Halbblütiger!«
»Sie werden ihn bestrafen.«
»Grausamer als wir.«
»Er wird Jahrhunderte leiden ...«
Tracharh musterte Rowarn aus eiskalten Augen. »Sie werden über dich richten. Besser für uns. Geh unbehelligt, Saat von Nachtfeuer. Für uns bist du tabu.«
Er konnte also gefahrlos reisen – allerdings auch keine Hilfe erwarten, sollte er sie benötigen. Für die Dämonen existierte er damit nicht mehr.
So schnell, wie sie gekommen waren, verschwanden die Dämonen wieder. Rowarn war allein. Weil er sich nicht anders zu helfen wusste, ging er weiter auf die Berge zu, auch wenn er es vor Hitze wahrscheinlich bald nicht mehr aushalten konnte.
Er verlangsamte nicht, als Tracharh plötzlich wieder erschien.
»Weißt du denn, wie du zu den Frauen gelangst?«
»Nein«, antwortete Rowarn. »Sind alle Dämonen so seltsam?«
Der Taur lachte tief. »Das sind die Niedersten, wertloses Kroppzeug. Sie dürfen nicht im Staat leben, sondern nur hier draußen in der Randzone. Was du hier siehst, ist lediglich das
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