Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
ausgelöscht; eine schwarze Klaue hatte nach seinem Herzen gegriffen und es zusammengedrückt. Der Fürst blickte immer auf den Grund seiner Seele. Alles in ihm drängte danach, sich Noïrun zu offenbaren, ihm die Zusammenhänge zu erklären, um ihm deutlich zu machen, warum er ihn immer wieder enttäuschte. Vielleicht wäre es wirklich das Beste, aus seinen Diensten entlassen zu werden. Aber es gab kein Zurück mehr, für beide, und das wussten sie. Rowarn hätte es niemals übers Herz gebracht, den Fürsten zu verlassen, und diesem schien es nicht anders zu gehen. Ein festes Band bestand zwischen ihnen, das nicht so einfach zerstört werden konnte.
Rowarn schüttelte sich und drängte auch diese Gedanken beiseite. Er hatte den Befehl erhalten, den Abend zu genießen und sich gründlich auszuschlafen, und das würde er auch tun! Immerhin hatte er eine große Aufgabe bewältigt, er hatte mehr ausgehalten, als er je für möglich gehalten hätte, und dabei eine Menge gelernt. Er war seinem Ziel ein ganzes Stück nähergerückt. Und an dem hielt er fest, mehr denn je seit der Vision auf dem Gipfel.
Er ging zu den anderen ans Feuer, bekam einen vollbeladenen Teller und einen hölzernen Humpen in die Hand gedrückt, und dann stießen sie mit ihm an, saßen zusammen und lachten, aßen und tranken.
Irgendwann gesellte sich Olrig zu ihnen und gab mit erstaunlich guter, tragender Stimme ein Lied zum Besten.
»Einstmals ging ich den Weg entlang, den Weg nach Ardig Hall
Da sah eine Maid ich, süß und rein, und sie sang mit weitem Schall,
Heller als die Vögel, und drei Blumen hielt sie in der Hand,
Hielt sie mir entgegen, sprach so: ›Dies ist mein Pfand‹,
›Nimm es an, willst jemals du mich wiedersehen ...‹
Sprach ich: ›Der Krieg ist da, so muss ich denn gehen‹,
›Doch nehm ich dein Pfand, will es tragen bei mir immerdar‹,
›Und wenn ich dann lieg auf dem Feld, so weiß ich, es ist wahr:‹
›Solang die Blumen blühn, solang ihr Duft ist rein‹,
›Bist treu du mir, und ewig treu will ich dir sein.‹
Sprach sie: ›Mein tapfrer Kämpfer du, sei unbesorgt, wirst leben‹,
›Wirst heimkehren, solang die Blumen blühn‹
›Und dann, wenn die Feuer auf dem Schlachtfeld verglühn‹,
›Will ich dich lieben, auf ewig dein, und mich dir ganz geben‹.
Dies sprach sie zu mir auf dem Weg nach Ardig Hall
Und so ging ich weiter, und wusste, nun hab ich die Wahl,
Zu kämpfen und zu leben, für meinen Schatz in Ardig Hall.«
Beifall und lobende Pfiffe folgten dem Vortrag, das Bier kreiste. Jemand zog eine Tonflöte hervor, ein anderer eine Laute, und bald wusste jeder ein Lied, bei dem alle mitsingen konnten.
Olrig zwinkerte Rowarn zu und machte sich auf den Weg zum Zelt des Fürsten. Rowarn wiederum merkte, wie ihm der Kopf rasch schwer wurde. Er war satt und zufrieden, und da er sich endlich einmal entspannte, machte sich mit aller Macht die Überanstrengung der letzten Tage bemerkbar. Er verließ die fröhliche Runde, und da ein ständiges Kommen und Gehen herrschte, fiel es niemandem auf.
Müde stapfte Rowarn durch die Dunkelheit zu den angebundenen Pferden, bei denen hohe Fackelstäbe steckten und sie in ein schemenhaftes, flackerndes Licht tauchten. Windstürmer wieherte ihm leise entgegen, wie immer, und schmauste verzückt das Stück Brot, das Rowarn mitgebracht hatte. Der kleine Falbe hatte sich ordentlich gemacht, wie sein Herr sogar bei dem schlechten Licht feststellen konnte. Sein Kindergesicht war verschwunden, und er hatte Muskeln bekommen; Rowarn bildete sich ein, er sei sogar ein wenig gewachsen. Die Mähne stand prächtig, und der Hals war fast so kräftig wie der des Kupferhengstes.
Eine Weile schmusten die beiden miteinander, dann packte Rowarn seine Decken und ging hinaus ins Land. Der Schein des Feuers reichte immer noch für ein tröstliches Licht und warf schmale Lichtstreifen auf das dunkle Gras. Leises Gelächter und der Klang der Musik begleiteten ihn. Die Blumen waren alle geschlossen, doch Rowarns Augen waren weit offen, als er eine Decke ausbreitete, sich darauf räkelte, die zweite Decke über sich zog und die Arme hinter dem Kopf verschränkte.
Völlig leer an Gedanken blickte er zum Sternenhimmel hoch, sah den Großen Läufer, der fast die Hälfte des Sichtfeldes einnahm, mit der Laterne in der einen und dem Speer in der anderen Hand. Groß leuchtete sein Auge, Ishtrus Träne, das den Himmel beherrschte, solange der Mond nicht aufgegangen war. Ishtrus
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