Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
dichte Verkehr ohne zu stocken dahinfloss.
»Das Auge eines Zwerges reicht in der normalen Sicht nicht weit«, bemerkte Olrig, »aber wir können in andere hineinblicken. Das ist besser als die Durchsuchung jedes Wagens. Zölle erheben wir erst bei Verkauf, zusammengefasst den Zehnten.«
»Gibt es da nicht viel Unterschlagung?«, fragte Rowarn erstaunt.
Der Kriegskönig grinste. »Lomhim hat überall Leute, die beobachten und Stichproben machen, und die Strafen sind hoch. Wer auf Dauer in Ennishgar Geschäfte tätigen will, sollte also besser vorsichtig sein. Andererseits muss niemand Steuern oder Zoll zahlen, der keinen Erfolg hat, also können auch ärmere Leute hier ihr Glück versuchen. Bisher läuft es gut.«
Es fand ein steter Austausch in beide Richtungen statt, hauptsächlich Zwerge und Menschen und hin und wieder Angehörige der Alten, aber auch Rowarn unbekannte Wesen ferner Länder.
Von ein paar Flüchen abgesehen, ließen die Leute sich nicht stören, als der Fürst und seine Begleiter sich auf der Hauptstraße zu Pferde durch die Menge schoben. Noïrun und Olrig hatten Rüstung und Wappenhemden abgelegt und trugen unauffällige Reisekleidung mit Umhang, auch die Pferde hatten nur einfaches Zaumzeug und Sättel, sodass niemand auf sie achtete. Rowarn, der sich hinter den beiden einreihte, blickte sich begeistert um.
Immer wieder führten die Straßen auf größere Plätze mit Märkten, aber auch mit Vorführungen, von Akrobaten bis zu kleinen Theatern. Redner balancierten auf Podesten und machten sich wichtig, indem sie über die schrecklichen Zustände in Stadt und Land klagten, die hohen Steuern und Zölle, und wie sie alles viel besser machen würden, wenn man sie nur ließe. Reiche Handelshäuser zeigten ihre Waren in großen Auslagen, die teilweise durch Fenster, immer aber durch Wachen geschützt wurden; sie warben mit großen, bunten, fröhlich flatternden Fahnen darum, bei ihnen zu kaufen. Über engen Seitengassen waren Wäscheleinen gespannt, an denen bunte Stoffe hingen, Blumen schmückten die Fenstervorsprünge.
Olrig, der die Führung übernommen hatte, lenkte den Schimmel zielsicher durch das Gewirr von Gassen, wohingegen Rowarn bald den Überblick verlor. Ennishgar war mindestens zehnmal so groß wie Madin und überaus verwinkelt. Sich hier zurechtzufinden, musste eine Lebensaufgabe sein. In jedem Wald hätte Rowarn leichter die Übersicht behalten.
Die Hufe der Pferde klapperten auf dem Kopfsteinpflaster, und Windstürmer rutschte einige Male aus. Dieses Gelände war er nicht gewohnt, und er schnaubte erstaunt. Seine Ohren gingen ständig vor und zurück, und neugierig, mit lebhaften Augen, schaute er umher. Der Schimmel und der Kupferfuchs gingen völlig gleichmütig, für sie war dies nichts Neues.
Olrig überquerte einen kleinen Platz mit einem Brunnen und einem Puppentheater, wo einer Schar aufgeregter Kinder gerade ein spannendes Märchen dargeboten wurde, und hielt vor einem Eckhaus, dessen ausladendes Metallschild das Zeichen der Waffenschmiede führte. Ein etwa sechsjähriger Junge kam umgehend aus einem Seiteneingang herbeigelaufen.
»Für nur einen Vierteldrachen versorge und bewache ich Eure Pferde, edle Herren!«, bot er eifrig an und wies auf einen offenen Stall in der Gasse.
»Das nehmen wir gerne an«, sagte Olrig. »Und ich gebe dir noch einen Vierteldrachen dazu, denn wir werden uns bis morgen hier aufhalten und holen dann erst die Pferde wieder ab.« Er warf dem Jungen einen halben Silberling zu, den dieser geschickt und mit leuchtenden Augen auffing.
»Danke, Herr! Ihr werdet keinen Grund zur Klage haben!«
»Kann man darauf vertrauen?«, wisperte Rowarn dem Zwerg zu, als er absaß und sein weniges Gepäck schulterte.
»An diesem Ort, ja«, antwortete Olrig. »Der kleine Lümmel ist Lokib, der jüngste Sohn meiner Schwester, die dieses Geschäft betreibt. Er erinnert sich nicht an mich, weil er noch ein rotznasiger Knirps war, als ich zuletzt hierherkam.«
Rowarn freute sich, ein wenig mehr über Olrig zu erfahren. »Du hast eine Schwester?«
»Zwei«, brummte Olrig. »Und drei Brüder. Schrecklich große Familie, musst du wissen. Meine Schwester Kala hat hier geheiratet und die Kúpir verlassen, um bei den Ennish zu leben.«
Sie betraten das Haus durch den Vordereingang, und Rowarn betrachtete staunend die vielen Rüstungen, Helme, Waffen und Kleidungsstücke, mit denen der Raum vollgestopft war. Aus der hinteren Kammer kam eine Frau auf sie zu.
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