Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
Sie besaß den typischen kräftigen Körperbau der Zwerge, doch mit wohlgefälligen weiblichen Formen. Ihr langes, bereits ergrauendes Haar war zu einer kunstvollen Zopffrisur geflochten. Sie hatte ein breites, gutmütiges Gesicht mit rosigen Wangen und Augen, die noch strahlendblauer waren als Olrigs und wie lupenreine Saphire glänzten. Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht, als sie ihren Bruder erkannte, und sie umarmte ihn voll Herzlichkeit.
»Olrig! Lieber Bruder, dich einmal wiederzusehen, was für eine Überraschung! Warum hast du dich nicht angemeldet? Ich hätte gern etwas vorbereitet!«
»Nicht zu diesen Zeiten, meine Liebe, und dies ist auch kein richtiger Besuch«, erwiderte Olrig und küsste sie zärtlich auf beide Wangen. »Prächtig siehst du aus!«
»Das kann ich zurückgeben, mein Lieber, du hast unter den Menschen noch nicht vergessen, ein Zwerg zu sein. – Oh, ich bitte um Verzeihung, Fürst Noïrun, wie unhöflich von mir, Euch jetzt erst zu bemerken! Welche Ehre, Euch wieder in meinem bescheidenen Geschäft begrüßen zu dürfen.« Sie schüttelte dem Fürsten kräftig die Hand, der den Gruß lächelnd erwiderte. Dann schlug sie klatschend in die Hände. »Aber wie du sagtest, Olrig, dies ist kein Höflichkeitsbesuch, also womit kann ich dienen?«
»Mit Eurer wohlfeilen Wehr, wie es in ganz Valia keine bessere gibt«, antwortete Noïrun und wies auf Rowarn. »Wir brauchen eine anständige Ausrüstung für meinen Knappen.«
Rowarn blieb für einen Moment die Luft weg, und er starrte seinen Herrn fast zweifelnd an.
Kala richtete sofort ihre ganze Aufmerksamkeit auf ihn. »Oh! Ich bin entzückt! Und so ein hübscher Bursche noch dazu, es wird mir eine Freude sein!« Sie schritt um ihn herum und musterte ihn, vor sich hinmurmelnd, von oben bis unten. Dann winkte sie ab. »Keine Schwierigkeit! Ich denke, ich habe das Passende da, vielleicht mit einer kleinen Änderung hier und dort. Aber er hat eine tadellose Figur, wenngleich für meinen Geschmack ein wenig zu schmal.« Sie zwinkerte schelmisch. »Ich ziehe eine stattliche Erscheinung vor, wie etwa die Eure, mein Fürst!«
Noïrun beugte sich lächelnd über ihre Hand und führte sie an seine Lippen. »Werte Dame, Euer Kompliment ehrt mich. Doch fürchte ich um mein Wohlbefinden, wenn Euer Gemahl dahinterkommt!«
Sie lachte mit ebenso dröhnender Stimme wie ihr Bruder. »Ein artiger Mann noch dazu! Aber nun genug der Schäkerei – wartet einen Moment, ich veranlasse alles Notwendige für die Anprobe.«
Sie verschwand hinter den Auslagen, und Rowarn sagte entgeistert: »Aber Herr ...«
»Als mein Knappe hast du Anspruch auf eine anständige Ausstattung«, schnitt der Fürst ihm das Wort ab. »Die anderen erhalten ihre Ausrüstung im Lager von Ardig Hall, aber für dich ist das nicht bestimmt. Olrigs Schwester führt das beste Haus in dieser Hinsicht, mit hervorragender Arbeit aus Zwergenhand, die sich nun einmal am besten darauf verstehen. Man würde mich für einen armen Mann halten, wenn ich meinen Knappen nackt wie einen Bettler neben mir laufen ließe, und mich bemitleiden und fortan meiden.«
Olrig prustete vergnügt. »Allerdings, mein Lieber, oder schlimmer noch: Man könnte dich für einen Geizhals halten! Wer würde einem solchen Mann schon folgen? Oder ihm Unterstützung gewähren und ihn an edlen Festtafeln Platz nehmen lassen?«
Rowarn schwieg verdutzt. Das leuchtete ihm tatsächlich ein. Und dann wurde er vermessen und musste eine Menge Sachen ausprobieren, bis schließlich alle gleichermaßen zufrieden wirkten. Eine dunkle Lederrüstung wurde ausgesucht, dazu ein Waffengürtel, ein langes Messer und zuletzt ein Schwert, das Rowarn fast ehrfürchtig hielt. Kein Vergleich zu der Übungsklinge, die er bisher benutzt hatte. Diese Waffe war wie für ihn geschaffen, lag leicht und ausgewogen in seiner Hand. Und war äußerst scharf geschliffen. Wie ein Ritter , dachte er stolz bei sich und konnte es immer noch kaum glauben.
»Morgen früh könnt ihr alles abholen«, versprach Kala.
»Das passt uns sehr gut«, bemerkte der Fürst erfreut.
Zu Fuß gingen sie dann weiter durch die Stadt, und Rowarn stellte fest, dass viele Geschäfte und Marktstände von Frauen betrieben wurden. »Ja«, erklärte Olrig, »tatsächlich haben die Frauen bei uns den guten Geschäftssinn, wohingegen die Männer mehr die Handwerker und Künstler sind.«
Noïrun deutete auf ein mehrstöckiges Gebäude, das durch seine Größe unschwer als Herberge
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