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Die Chronolithen

Die Chronolithen

Titel: Die Chronolithen Kostenlos Bücher Online Lesen
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sie mit ihren Freunden teilten und so weiter und so fort, von Whits Provinzuniversum bis zu den militanten Untergrundkadern). In Whits Welt lagen die Konsequenzen immer in weiter Ferne; Belohnungen gab es auf der Stelle, sonst waren es keine. Whit Delahunts Sympathie für Copperheads war nicht politisch motiviert. Für Whit war die Bewegung eine Art Rotary- oder Kiwanis-Club, Beitragswährung war die Information. Ich bezweifle, ob er jemals an einen leibhaftigen Kuin geglaubt hat. Wäre Kuin vor ihm aufgetaucht, Whit wäre so sprachlos gewesen wie ein Kirchgänger, dem der Zimmermann von Galiläa erscheint.
    Was, wie ich mich hinzuzufügen beeile, keine Entschuldigung ist.
    Doch ich bin mir sicher, Whit hat es zu keiner Zeit für möglich gehalten, dass diese texanischen Milizionäre weit nach Mitternacht an seine Tür klopfen und sein Haus betreten könnten, als wäre es das ihre (weil er schließlich einer von ihnen war), um ihm mit vorgehaltener Waffe die Adresse von Ashlee und mir abzupressen.
    Janice war dabei, als die Invasion stattfand. Sie versuchte Whit zu bewegen, die Fragen der Eindringlinge nicht zu beantworten, und wollte, als er sie ignorierte, die Polizei verständigen. Für ihre vergeblichen Anstrengungen schlug man mit der Pistole auf sie ein, was ihr einen gebrochenen Kiefer und ein gebrochenes Schlüsselbein eintrug. Hätte man Whit nicht noch für potenziell nützlich gehalten und hätte er nicht glaubhaft machen können, Janice zur Vernunft zu bringen, ich bin überzeugt, man hätte sie beide umgebracht; zudem hätte Whit nichts davon gehabt, wenn er alles zu Protokoll gegeben hätte, und stoppen, muss er sich gesagt haben, konnte er die Sache sowieso nicht mehr.
    Weder Whit noch Janice hatten wissen können, dass sich einer der Milizionäre schon länger für die Aktivitäten von Sue Chopra und Hitch Paley interessierte, und zwar aus ganz persönlichen Gründen:
    Adam Mills. In einer ekstatischen Antinostalgie war Adam in seine Heimatstadt zurückgekehrt, entzückt, dass seine Lebensfäden auf so merkwürdige und befriedigende Weise wieder zu sich selbst gefunden hatten. Er muss das wohl als Fügung erlebt haben; er muss sich eminent wichtig vorgekommen sein.
    Hätte er die Formulierung gekannt, er hätte sich »tief in der Tau-Turbulenz« gewähnt. In den Wirren nach dem Portillo-Ereignis hatte Adam durch Erfrierungen zwei Fingerspitzen verloren – nicht zufällig die gleichen Fingerspitzen, die er Hitch später mit der Machete abtrennen sollte –, und das hatte ihm ein Gefühl von Auserwähltsein gegeben, als sei er von Kuin persönlich gesalbt worden.
    Bei der Auseinandersetzung in Whits Haus ging es nicht eben leise zu. Doch Kait, die im Apartment über der Garage schlief, wurde Gott sei Dank nicht wach davon. Sie blieb verschont.
    Vorerst.
     
    Da ich nach der Schießerei an der Straße nicht schlafen konnte, vertrat ich mir mit Ray Mosely in dem aufgewühlten Bereich zwischen Reaktor und Unterkünften die Füße.
    Das Lager kam wieder zur Ruhe, und abgesehen vom gedämpften Summen der Generatoren war nicht mehr viel zu hören. Schließlich wurde die Stille geradezu hörbar – man wurde sich ihrer bewusst, einer tiefen und starken Stille da draußen jenseits des Einzugsbereichs der Lampen.
    Mein Umgang mit Ray war nie besonders vertraut gewesen, doch wir waren uns im Laufe dieses Unternehmens ein wenig näher gekommen. Kennen gelernt hatte ich ihn als unheimlich belesenen, unsicheren Tiefstapler, der nichts mehr fürchtete als seine Verwundbarkeit. Das hatte ihn defensiv und spröde gemacht. Und so war er immer noch. Doch er war auch das Endergebnis jahrelanger zwanghafter Selbstverleugnung, mittleren Alters inzwischen, und kannte durchaus die eine oder andere seiner Unzulänglichkeiten.
    »Sie machen sich Sorgen wegen Sue«, sagte er.
    Ich war mir nicht sicher, ob ich darüber reden sollte. Aber wir waren allein, niemand hörte mit. Höchstens ein paar Eselhasen.
    Ich sagte: »Sie steht deutlich unter Stress. Und sie geht nicht besonders um damit.«
    »Würden Sie es besser machen? An ihrer Stelle?«
    »Wahrscheinlich nicht. Aber wie sie schon redet. Wissen Sie, was ich meine. Mir kommt sie allmählich ein bisschen stur vor. Und dann fängt man an, sich zu fragen…«
    »Ob sie noch bei Verstand ist?«
    »Ob die Logik, die uns hergebracht hat, wirklich so wasserdicht ist, wie Sue behauptet.«
    Ray schien nachzudenken. Er grub die Hände in die Hosentaschen und bedachte mich mit einem

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