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Die Chronolithen

Die Chronolithen

Titel: Die Chronolithen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Arzt, da half auch der weiße Kittel nicht. Der unvermeidliche Morris Torrance begleitete uns in den kahlen Untersuchungsraum, um den Test zu beaufsichtigen. Morris war offenkundig ein Bundesbeamter, vielleicht dreißig Pfund über dem Normalgewicht und zehn Jahre jenseits der besten. Sein Haar hatte sich auf eine Weise gelichtet, wie man es ganz früher bei Mönchen absichtlich herbeigeführt hatte. Doch sein Händedruck war fest, sein Benehmen locker und er wirkte zur Zeit überhaupt nicht feindselig.
    Ich ließ mir die Elektroden anlegen und beantwortete ohne zu stottern die Eichfragen. Dann übernahm Morris den Dialog und führte mich Detail um Detail durch meine anfänglichen Erlebnisse mit dem Chumphon-Chronolithen, legte gelegentlich eine Pause ein, derweil der Detektor-Guru seine Notizen auf den laufenden Ausdruck kritzelte. (Der Apparat wirkte nicht nur antiquiert, er war es auch, konstruiert nach Maßgaben aus dem Prozessrecht des 20. Jahrhunderts.) Ich erzählte die Geschichte wahrheitsgemäß wenn auch mit Bedacht und zögerte nicht, Hitch Paleys Namen zu erwähnen und sogar seinen Beruf und schnalzte noch mit den Fingern beim Erwähnen des Anglerladens, der ja – bisweilen wenigstens – ein durchaus legitimes Gewerbe war. Als ich auf das Gefängnis in Bangkok zu sprechen kam, fragte Morris: »Wurden Sie nach Drogen durchsucht?«
    »Ich wurde mehr als einmal durchsucht. Vielleicht nach Drogen, schwer zu sagen.«
    »Hat man bei Ihnen irgendwelche Drogen oder verbotene Substanzen gefunden?«
    »Nein.«
    »Haben Sie verbotene Substanzen über nationale oder Staatsgrenzen transportiert?«
    »Nein.«
    »Wurden Sie vor dem Chronolithen gewarnt, bevor er auftauchte? Haben Sie vorher irgendetwas über das Ereignis gewusst?«
    »Nein.«
    »Sie wurden davon überrascht?«
    »Ja.«
    »Kennen Sie den Namen Kuin?«
    »Nur aus den Nachrichten.«
    »Haben Sie die Statue gesehen, die aus den neueren Monumenten herausgemeißelt ist?«
    »Ja.«
    »Ist Ihnen das Gesicht vertraut? Erkennen Sie das Gesicht?«
    »Nein.«
    Morris nickte und besprach sich leise mit dem Mann im weißen Kittel. Nach ein paar Minuten wurde ich von dem Apparat getrennt.
    Morris brachte mich aus dem Gebäude. Ich sagte: »Hab ich bestanden?«
    Er lächelte. »Ist nicht meine Abteilung. Aber an Ihrer Stelle würde ich mir keine Sorgen machen.«
     
    Am nächsten Morgen rief Sue an, um mir mitzuteilen, ich könne die Arbeit antreten.
    Die Bundesregierung steuerte aus Gründen, die der Senior-Senator von Maryland wahrscheinlich am besten kannte, diesen Zweig der Chronolithen-Forschung aus einem nichtssagenden Gebäude heraus, das in einem Industriepark in den Außenbezirken von Baltimore stand. Die Zentrale lag in einem der unteren Geschosse: eine Bürosuite und eine provisorische Bibliothek, mehr nicht. Die eigentliche Forschungsarbeit, erklärte Sue, werde an Universitäten und in Bundeslaboratorien geleistet. Was sie hier betreibe, sei eher eine Denkfabrik, die Resultate sichte und als Beraterfirma und Clearingstelle für die Kongressmittel fungiere. Sues Arbeit bestand im Wesentlichen darin, die aktuellen Erkenntnisse zu beurteilen und vielversprechende Forschungsansätze zu erkennen. Ihre unmittelbaren Vorgesetzten waren Geheimdienstler und Kongressassistenten. Von dem, was man innerhalb der Chronolithenforschung vernünftigerweise als Wissenschaft bezeichnen konnte, war Sue die höchste Instanz.
    Ich fragte mich, was eine so enthusiastische Forscherin bewogen haben könnte, einen besseren Managerjob zu machen. Und hörte auf, mich das zu fragen, als sie die Tür ihres Büros aufmachte und mich heranwinkte. In dem großen Raum standen ein lackierter Second-Hand-Schreibtisch und unzählige Aktenschränke. Rings um ihr Terminal wimmelte es von Zeitungsausschnitten, Zeitschriften und ausgedruckten E-Mails. Und die Wände waren mit Fotos tapeziert.
    »Willkommen im Allerheiligsten«, strahlte Sue.
    Fotos von Chronolithen.
    Alle waren sie hier versammelt, strenge Profi-Aufnahmen neben Schnappschüssen von Touristen und kryptischen Falschfarbenaufnahmen aus dem Orbit. Da hing Chumphon in einer Auflösung, wie ich ihn noch nie gesehen hatte, die Buchstaben der Inschrift durch schräg einfallendes Licht betont. Da hing Bangkok und das erste dreidimensionale Götzenbild von Kuin. (Sicher keine wirklichkeitsnahe Darstellung, wie Experten vermuteten. Die Züge waren zu klischeehaft, fast so, als habe man einem Graphikprozessor befohlen, das Standbild eines

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