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Die Chronolithen

Die Chronolithen

Titel: Die Chronolithen Kostenlos Bücher Online Lesen
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eine frische Rose.«
    Zur Operation war ich dagewesen, aber nicht, als man den Verband abnahm. Das war während der Damaskus-Krise gewesen, als ich bei Sue war.
    Janice fuhr fort: »Ich sagte ihr, wie schön sie sei, gleich in der Klinik vor dem Arzt und vor den Schwestern. Sie legte den Kopf schief, als wüsste sie nicht genau, wo meine Stimme herkam. Du kannst dir ja denken, so was braucht seine Zeit. Und weißt du, was sie gesagt hat?«
    »Was?«
    Eine einzelne Träne rollte Janice über die Wange. »Du brauchst nicht so zu schreien, sagte sie.«
     
    Es begann, so Janice, als sie zum Jugendtreff fuhr und nicht heimkam.
    »Was für ein Jugendtreff?«
    »Einfach ein – na ja…«, Janice stockte.
    »Wenn wir nicht offen sind, hat alles keinen Sinn«, sagte ich.
    »Es ist die Jugendabteilung einer Organisation, bei der Whit Mitglied ist. Du darfst das nicht falsch sehen, Scott. Es ist keine Pro-Kuin-Sache. Diese Leute suchen nach Alternativen zu Waffengewalt.«
    »Jesus Christus«, sagte ich. »Janice – Whit ist ein Copperhead?«
    In letzter Zeit hatten die Zeitungen den Begriff »Copperhead« aus der Mottenkiste geholt, und zwar als pauschale Verunglimpfung der verschiedenen kuinistischen Bewegungen. Janice schlug den Blick nieder und sagte: »Den Ausdruck benutzen wir nicht«, was ich so deutete, dass Whit ihn nicht mochte. [xxiv] »Ich verstehe nichts von Politik. Das weißt du. Whit auch nicht, es war nur so, dass ein paar Leute aus der oberen Etage da eingetreten sind. Sich auf einen Krieg vorzubereiten, der vermutlich nicht geführt werden muss, sei ökonomischer Unsinn, meint Whit.«
    Das war ein Standardargument der Copperheads, es aus dem Mund von Janice zu hören, verwirrte mich. Nicht, dass es völlig aus der Luft gegriffen gewesen wäre, aber daraus sprach auch die kuinistische Verachtung für demokratische Prozesse, die Idee, ein Kuin könne auf einem Planeten mit allzu viel ökonomischen, religiösen und ökologischen Gräben für Ordnung sorgen.
    Ich hatte den Aufstieg der Copperhead-Bewegung im Netz verfolgt – zwangsläufig, da Sue sie für signifikant und Morris sie für potenziell gefährlich hielt. Was ich zu sehen bekam, gefiel mir gar nicht.
    »Und da hat er Kaitlin mit hineingezogen?«
    »Kait wollte es. Anfangs ging sie mit zu den normalen Versammlungen, aber dann interessierte sie sich für die Jugendorganisation.«
    »Und da hast du sie eintreten lassen – einfach so?«
    Sie sah mich flehend an. »Ehrlich, Scotty, ich hab mir nichts dabei gedacht. Du lieber Gott, sie bauen keine Rohrbomben. Es ging nur um Soziales. Ich meine, sie spielten Baseball. Sie spielten Theater. Teenager, Scott. So viel neue Freundschaften – Kait hatte zum ersten Mal in ihrem Leben richtige Freunde. Was hätte ich tun sollen, sie wegsperren?«
    »Ich bin nicht hier, um den Richter zu spielen.«
    »Eben.«
    »Erzähl mir einfach, was passiert ist.«
    Sie seufzte. »Ich glaube, es gab ein paar Radikale unter den Mitgliedern. Man kann den Dingen nicht entfliehen, weißt du? Die jungen Leute sind besonders empfänglich. Es ist in den Nachrichten, es ist im Netz. Früher hat sie manchmal darüber geredet, über… «, sie senkte die Stimme, »über Kuin und dass man nicht verurteilen soll, was man nicht versteht, so was. Ich hätte nicht gedacht, dass es ihr so ernst damit war.«
    »Sie ging zu einem Treffen und kam nicht zurück.«
    »Sie nicht und zehn weitere, die meisten älter als Kait. Offenbar haben sie wochenlang über die Idee einer Wallfahrt geredet, den Hadsch, wie sie es nennen.«
    Ich schloss die Augen.
    »Die Polizei meint, sie wären wahrscheinlich noch in der Stadt«, fuhr Janice hastig fort, »würden mit einer anderen Clique von Möchtegernradikalen in einem leerstehenden Haus hocken, große Töne spucken und sich das Essen zusammenklauen. Wenn es das nur ist, wär es ja schon schlimm genug.«
    »Hast du mal auf eigene Faust gesucht?«
    »Die Polizei hat abgeraten.«
    »Und Whit?«
    »Whit meint, wir sollen mit der Polizei kooperieren. Das gilt auch für dich, Scott.«
    »Wie heißt euer Ansprechpartner bei der Polizei?«
    Sie nahm ihr Notizbuch aus der Tasche und schrieb einen Namen samt Telefonnummer auf die Papierserviette, sie tat es widerwillig und bedachte mich mit langen, missmutigen Blicken.
    Ich sagte: »Und wie dieser Copperhead-Club heißt, dem Whit angehört.«
    Jetzt stockte sie. »Ich will nicht, dass du Schwierigkeiten machst.«
    »Das ist nicht der Grund meines

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